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SCRIPTVM V | ||
Das Wegkind | ||
Johannes Maria Klein | ||
GLIEDERUNG | ||
VORSPIEL | DRITTES LIED | |
Erste Anrede | Erste Vorrede | |
Erste Gegenrede | Elftes Garn | |
Zweite Anrede | Zwölftes Garn | |
Zweite Gegenrede | Dreizehntes Garn | |
Dritte Anrede | Vierzehntes Garn | |
Dritte Gegenrede | Zweite Vorrede | |
ERSTES LIED | Fünfzehntes Garn | |
Erstes Garn | Sechzehntes Garn | |
Zweites Garn | Siebzehntes Garn | |
Drittes Garn | Dritte Vorrede | |
ZWEITES LIED | Achtzehntes Garn | |
Erste Zwischenrede | Neunzehntes Garn | |
Viertes Garn | Zwanzigstes Garn | |
Fünftes Garn | Einundzwanzigstes Garn | |
Sechstes Garn | Zweiundzwanzigstes Garn | |
Zweite Zwischenrede | ||
Siebentes Garn | ||
Achtes Garn | ||
Neuntes Garn | NACHKLANG | |
Zehntes Garn | Schlussrede | |
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VORSPIEL: Erste Anrede | ||
Nun zeig' den Gestalt hier gewordenen
Anteil, der da ankommt verschleiert und wissend, doch alles vergessend; wohl zeige die Kraft des lebendigen Wesens, die vergeht, um das Hier zu verlassen, und nichts ist und alles; ja, zeig' uns des Menschen erhab'ne Erscheinung, deren Anblick uns stumm macht und reglos gleich Steinen am Weg. |
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Denn wir, die wir inne dem Erdhaften
wohnen, dem Gewässer, dem Luftraum, dem Feuer, wir alle in allem, zu trennen sind nicht wir aus unserem Umkreis, sei er glühend, gemässigt, gar eisig, sei Wüstensand, Schnee dir; und das ist der Grund uns, weshalb mit Erstaunen wir erfahren, wie mancherlei Wesen hier kommen und gehn. |
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Also fragen wir dich nun, wie es steht, wie es wandelt dies Wesen, der Mensch.¹, ¹ª |
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3 | ||
VORSPIEL: Erste Gegenrede | ||
Kaum wage ich, euch, die gewaltigen
Mächte, zu betrachten und gar zu benennen, seid ihr doch die Steten; auch weiss ich euch nichts oder fast nichts zu sagen, bin ja selbst nur ein lernendes Wegkind, des Sprechens grad kundig, und blicke ich um mich, ja schaue ich auf nur, schon erreichen mich Bilder und Worte, zu weit mir, zu gross. |
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Ihr alle, so spür' ich, bedrängt
mich mit Raunen, setzt der Zeichen und Eindrücke viele in meine Bewegung; ich kenne mich selbst kaum und kaum einen andren, suche immerfort Pfade und Steige voll Hoffnung auf Ausblick; so höre ich schweigend die Frage, das Wehen, und verharre darinnen, bis dass mir die Antwort erwächst. |
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Eure Worte der Achtung, des Erstaunens, der Regung, sie gelten nicht mir. |
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4 | ||
VORSPIEL: Zweite Anrede | ||
Die Worte, das Staunen, sie gelten dem
Fünkchen, das dem Lichtmeer entzogen herabsinkt entsetzt in das Dunkel, das einfällt durch Rückschreiters Tor² und uns annimmt, bis es weicht durch das Tor gegenüber³ in andere Kreise - lebendig so rufen wir diese Gebärde, bringt Bewegung sie doch und ein Schwingen dem Raum und der Zeit. |
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Wir spüren die Linie, auf der es
herabzieht, wir erahnen den Sog und die Richtung, die Tiefe des Gleitens;⁴ auch fühlen wir deutlich die Kälte, die Starre, wenn es rückgibt entliehene Güter uns allen zu Handen;⁵ doch wissen wir nicht um das ganze Geschehen, und gar fremd sind uns Ursach' und Wirkung, wenn solche es gibt. |
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Also drängen wir alle auf entschleiernde Rede, wenn du es nur willst. |
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5 | ||
VORSPIEL: Zweite Gegenrede | ||
Ihr Feste, ihr Flüssige, ihr in
der Gasform und ihr Strahlende alle, euch grüss' ich voll Zutraun und Schauder! Nicht weiss ich, weshalb ihr zu mir euch erniedrigt, der nicht Kenntnis, noch Weisheit erwarb sich, ein Floh unter Flöhen⁶ - allein um der Forderung darzutun willen raffe auf ich die machtlosen Sinne und blicke um mich. |
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Ihr fragt nach dem Menschentum mich,
einen Menschen, da wohl jeglichem Wesen bekannt ist, wie ahnungslos dieser? Und doch will ich glauben, dass euer Verlangen nicht aus heiterem Himmel entstanden, der Laune des Zufalls. - Ist Zufall nicht hohle Umschreibung des Waltens, das in Kunst wie Natur wir erfahren, im Pendeln der Uhr? |
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Ihr belebt uns die Stoffe, uns, die werden und schwinden, euch Ehre, euch Dank! |
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6 | ||
VORSPIEL: Dritte Anrede | ||
Du bietest uns Dank, aber weigerst uns
Antwort, und erhebst uns in Höhen, die fremd uns, auf dass wir dich lassen; dich selbst willst du immer bescheiden erhalten, leugnest Kenntnis, wiewohl du erfahren, weil Mensch bist und Wegkind; denn jeder von euch, ihr Beweger und Kämpfer, ob er länger hier weilt oder kürzer, ist reich, wenn er geht. |
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Hingegen sind wir nur des Stofflichen
Urgrund, nur Bewegte im Spiele der Schwingung von Ruhpunkt zu Ruhpunkt, wohl furchtbar für euch und eure Umgebung, wenn wir aufbrechen, hochlodern, schwellen, der Zähmung zu trotzen; allein wir sind Schaffende nicht oder Wahrer, ob bewährt schon im Bilden und Wandeln, vermögen nicht fort. |
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Also lass nun das Sträuben, sei nur kühn und beginne lebendiges Wort. |
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7 | ||
VORSPIEL: Dritte Gegenrede | ||
Ihr meint, dass das Sagen dem Menschen
gebühre, da er fähig hiezu und geschaffen für Wissen und Ausdruck; lebendige Worte, nicht Wörter verlangt ihr, wollt kein Schwärmen, noch klügelndes Reden, wollt klärendes Sprechen. - Beiseite nur bleibe die düst're Erfahrung jener Seltenheit menschlichen Regens zu Klarheit und Licht. |
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Denn lass'ich die trübe Erinnerung
ruhen, das Bedenken von Schwäche und Ohnmacht im Hier und im Heute, so öffnen sich Schleusen dem Strom der Gedanken ohne Eile, obgleich ohne Zögern, allmählich, geruhsam. Gedanken zu hören scheint euer Begehren, da sie menschlichen Abglanz' und Wesens und aufhellend sind. |
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Ihr Bewirkenden hört denn, lasst den Menschen das Sprechen eröffnen - und ruht. |
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8 | ||
ERSTES LIED: Erstes Garn | ||
Das Eine ruht schweigend im Leeren und
Losen ohne Regung und Ausdruck und Kreisen; Ihm selbst wird Bewegung erst, Wort und Erfassen durch die Schöpfung des Zweiten, Genüber, dazwischen das Dritte.⁷ |
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Ein Pol ist nur Punkt in geschlossener
Ohnmacht, niemals Kreis oder Umfang und Kugel; der Punkte stets zwei braucht die klingende Schwingung, die herabzieht den sinkenden Funken in dröhnendes Dasein. |
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Der Mensch, er gebiert sich nicht selbst
aus der Fülle, nicht aus eigener Vollmacht entsteht er; der Mensch wird geboren aus anderen Menschen, wird aus zweierlei Hälften zu Körper, zu Wohnsitz auf Zeit. |
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10 | ||
ERSTES LIED: Zweites Garn | ||
Das Liebende wirkt nicht an sich und
bringt Leben, ja allein ist es kraftlos und dunkel; denn erst wenn sich Regung bewegt zum Geliebten, dann erglimmt Ihnen Glut, und im Rückspiel erhebt sich die Liebe.⁸, ⁹, ¹° |
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Das Strahlen allein, ohne Raum, ohne
Richtung, ist geschlossenes, kreisendes Feuer; und erst im Verstrahlen hinaus in die Räume dem Bestrahlten mit Wallen entgegen entflammt ihm das Leuchten. |
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Die erdengebundene Dreifalt des Menschen mag im Innern sich liebend genügen; jedoch wird sie erst durch die Wendung nach aussen und durch sehnendes Finden zur Sechsfalt, die Siebentes zeugt. |
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11 | ||
ERSTES LIED: Drittes Garn | ||
Dem Dreifältig Einen erwachsende
Kräfte rühren auf zu gewaltigem Handeln. - Seht, ob auch zu Hochburgen Nebel sich ballen, zu verdichtetem, würgendem Vorhang, die Sonne zerreisst sie. |
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Im Aufschlagen fliehen die Farben das
Weisse, werden Boten verlöschenden Glanzes;¹¹ die unbunte Schwärze durchwebt alles Nichtsein, allem Lichtlosen, Leeren entweht sie; und Kraft trennt die beiden. |
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Der Widerschein all der Berührungen
leuchtet aus dem Antlitz des lebenden Menschen; so matter, erloschener zeigt sich dies Antlitz, je geringer die Spannung der Kräfte, denn Trennung bringt Sein. |
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12 | ||
ZWEITES LIED: Erste Zwischenrede | ||
Da hört ihr der Weisen, der Deutungen
manche, ihr in braunschwarzer Kleidung, in grüner, azurblauer, roter, und lächelt dem Menschen im Wiedererkennen, ist sein Sagen doch eures von je her, die Sprach' nur ist seine. - Entlockt ihr der Stille nicht vielfaches Tönen, hier Gepolter, da Plätschern, dort Brise und prasselnden Sang? |
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Mit euch, ihr vier, einhellig scheu'
ich die Weite, wiewohl zehrendes Sehnen mich sauget: die Furcht gleicht der euren; so lass'ich das Künden kaum kündbarer Welten, will die Raine der Felder verlassen, die nie ich betreten, dem Schweigen der untersten Kreise entgegen will trotz kläglicher Stimme ich sprechen von dem, das sich sich lohnt. |
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Und so stelle aufs Neue ich die innere Frage des Menschen bei euch. |
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14 | ||
ZWEITES LIED: Viertes Garn | ||
Woher und wohin drängt die Menschenbewegung im verstofflichten Spiegelbild spielend? Dem Menschen wohnt inne ein lebendes Gleichmass, ob er's merke, verdamme, bejahe, ein Fortschwingen ursprünglich singenden Pendelns, ferner Nachhall der Brechung gewes'nen harmonischen Klanges. |
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Nichts weiss wer vom Stein, der ins Wasser geworfen erste Ursach' sei schwellender Wellen, doch liegt im Bedenken des Menschen kein Zweifel, ob nun Stein oder Wasser zuvor war: Das ruhende Meer voll lebendigen Funkelns ward in heute verschleierter Weise durch Störung entfesselt. |
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Erzählungen, Spruchrollen, Lieder berichten von des Ozeans schaffenden Kräften; allein dieser selbst, und mit ihm all sein Leben, ist nur Schöpfung aus anderer Quelle. Und dunkelste, weiteste Worte erahnen ein vor Zeiten geschlossenes, aber sich öffnendes Sein. |
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15 | ||
ZWEITES LIED: Fünftes Garn | ||
Wärt ihr um das Eine, so säht ihr die Hundert und wegab in vieltausenden Tiefen die Bruchstücke all der geborstenen Schalen, wohl erspürbar am Glimmen der Funken, die ein Licht und ein Ort und ein Wesen barg da vor undenklichen Zeiten der Wahrheit, verloren, vergessen. |
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Herab sank das Wesen des Menschen ins Tiefe, in Entfernung vom Ursprung beschieden, herab ins Gefüge aus steinernen Bildern und ihm leblos erscheinendem Boden, wo Feuer es brennen und Wasser es nässen, wo es Winde und Felsen bedrohen, wo Kampf tobt ums Dasein. |
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Geboren aus Menschen, um Menschen zu zeugen, ihm als einziger Sinn oft erkennbar, so tappt als ein Blinder und Lahmer voll Beben über Fluren, durch Wälder, auf Steinen, geschäftig und emsig hinwieder und rastlos, voller Denken an Handel und Herrschen der krönende Mensch. |
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16 | ||
ZWEITES LIED: Sechstes Garn | ||
Viel Aufgaben, Arbeit erwirkt sich der Mensch nun, dass er hier wird gezeugt und geboren; verwinden erst muss er den Fall und den Aufprall, der den Atem ihm nahm, so das Wissen, soll sammeln und wachsen, soll mehren und bauen, soll die Leiter berühren und steigen nach seinem Vermögen. |
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Ihm selbst ist's bestimmt, sich im Unten zu finden, zu verstehen, zu lernen, zu wandern; er suche sich Führer im Irrweg dem Ziel zu, doch aus sich hol' er Kraft und Gelingen, denn jedem von allen ist Weisheit gegeben, in Verborgenheit keimender Same, ein Aufblitz des Funkens. |
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Indem er den schwindelnden Taumel verlangsamt durch Beherrschen der eigenen Ströme, greift ein er ins Treiben der unteren Felder, in das wirrende Wirbeln um ihn her, und schafft einen Halt in den reissenden Fluten, eine Brücke sich selbst und dem Mitmensch, den Boden zur Schau. |
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17 | ||
ZWEITES LIED: Zweite Zwischenrede | ||
Ihr Leisen und Lauten, einst nah, heut'
entfernt uns, mit ganz and'rer Musik als für Ohren benetzt ihr das Hier schon, und Reden entfliessen von artgleichen Lippen wie manch Wässerchen munter aus Spalten, uns oft zum Erstaunen. - Wie wollten wir all diese Fülle erfassen, wollten mehr als vom Kleinen nur sprechen, vom Menschengeschlecht? |
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Gedanken zu denken und diesen zu danken, was an Worten und Sinn uns zugegen, das sei unser Streben! Wo Grössere singen, erhöhen, verfluchen, wo es hallt aus erschütterten Welten, durchdringende Schauer, da setzen wir Ausdruck und Bilder in Grenzen, die Entsprechungen schlichten Begreifens, mit zitternder Hand. |
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Aber weiter steh' Rede, stehe Antwort ich stückweis', so gut ich's vermag. |
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18 | ||
ZWEITES LIED: Siebentes Garn | ||
Der Liebe entströmt das Entwickeln
und Werden, sie ist Mittlerin, Urkraft der Weisheit; der vielfachen Wut, der man Hass ruft, entgegen, trotz bedrängender Anstürme übt sie beständiges Walten.⁸, ⁹, ¹° |
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Der Wärme gelingt das Erbrüten
von Formen in gemessener eigener Spanne; im Abstand zur Kälte wird Dasein gewonnen und die Starre dem Frosthauch entzogen, das Wärmende bildet. |
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Lebendiges Pulsen von Anfang im Menschen durch harmonischen Einzug und Ausstoss; gleichwie ohne Zugluft das Feuer verendet, droht dem Kinde Ersticken, wenn nicht es die Atmung belebt. |
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19 | ||
ZWEITES LIED: Achtes Garn | ||
Vollkommenes Fliessen vom Innen ins
Aussen und vom Oben herab in das Unten; im Gegenstrom ballen sich Wirbel und Schnellen, öffnen Strudel sich, schreckliche Gründe - es mengen sich beide. |
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Zunächst ward gar vielstimmig eins
nur gesungen, ein Zusammenklang einsamer Grösse; dann Wechselgesang wie gerinnendes Brausen, immer stärker der deutliche Misston - dem Ohr keines hörbar. ¹², ¹³ |
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Von da kommt dem Menschen ein zwiespältig
Trachten nach entgegengesetzter Erfüllung, ein inneres Zerren nach unten und oben, in das Aussen getragenes Schwanken, verwirrendes Tun.¹⁴ |
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20 | ||
ZWEITES LIED: Neuntes Garn | ||
Als Brennpunkt der Kreise im Binden
des Ganzen, auf erhellende Art sich verstrahlend, als Kraft unter Kräften und Punkt in der Fläche, und manch drohenden Schatten vertreibend, so dreht sich die Sonne. |
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Im Gegenschein leuchtend, im Mitschein
verdunkelt, in geordnete Bahnen gezogen, verschränkt und gegliedert in einem umschwingen die erstarrten Gedanken der Schöpfung, Planeten und Monde. |
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Der Erde erwirkt das gesammelte Kreisen ihren Platz im Gefüge der Welten; von Osten hebt es ihr an, zieht gen Westen, ist in Hälften meist ungleich geteilet, den Tag und die Nacht. |
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21 | ||
ZWEITES LIED: Zehntes Garn | ||
Und sehet, ein Bogen verbindet die Welten, ein gewaltiges Zeichen der Einung; sein zierliches Schillern aus tausenden Tropfen ist im Brechen des Lichtes geboren, Gespiel aus den Wolken, ein Wurf hin zum Boden, ein Gewebe unendlicher Leichte; auf siebenfach leuchtend gebündelte Weise bahnt nach Schauer und Nebel er wieder der Sonne den Weg. |
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Der Anblick der Wölbung bringt
jedwedem Wesen eine wärmende, stete Beschwingung, ja, lag es verstört und erstarrt in der Höhle, wird hervor es gerufen als Ganzes zu Wiedererwachen, befreit von den Schatten, zu Vergessen durch frisches Beginnen, hervor dann zu Wiedererstarken und Werden, zu erneuerter Atmung und Liebe und jungem Gesang. |
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Wie die Wasser verrinnen, wie die Feuer verglimmen, wenn er sich uns zeigt! |
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22 | ||
DRITTES LIED:¹⁵ Erste Vorrede | ||
O Nebel in klammer Erfüllung der
Täler, willst der Sonne nicht weichen, noch gönnst du der Erde ihr Strahlen? Gedenk' ich der Weisheit zuinnerst erbebend, die das Zucken der Finsternis wahrnahm im Blitz der Erschaffung, so denk' ich der schwarzen vergrabenen Zeichen, die verquickt erst zum Wort, dann zu Bildern entfachten den Lauf.¹⁶ |
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Doch viel vom zu Sprechenden gilt nur
dem einen, dem gestrengen und richtenden Walten des jetzigen Alters, Gewalt, der ihr träumend, doch traumlos vermengt seid, die euch Ursache ist, der ihr Wirkung, Bestehen bereitet: Gleich Fischen, so tummeln sich alle im Wasser, erst zu tun, dann zu nahen bestimmt bis der Eimer sich leert.¹⁷ |
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Wie aus anderen Welten euch die Seelen verfielen, so steigen sie hoch. |
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24 | ||
DRITTES LIED: Elftes Garn | ||
Vernimm erst das Seufzen zur Ehre der
Schwere, die du Byssus¹⁸ bist hier im Gefüge von Würfel und Uhr: |
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Im Anfang lag etwas ganz stumm in den
Tonen, mit dem Anfang erdacht und geprägt auch, in Ruhe vollkommen; der Weisheit gefiel das zum Abbild geformte, das zur Wohnstatt der Seele gemacht war, dir, Byssus, entnommen. |
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Gegeben ward diesem die Gabe des Sprechens dank dem Spiel eines kupfernen¹⁹ Kehlkopfs, vom Tier es zu trennen; von Anfang ward also die Seele befähigt, ward berufen von allen, die Dinge beim Namen zu nennen. |
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Gewiss warst nicht nur du als Stoff
ihr befohlen, nicht nur dir, Byssus, danke sie rühmend die Form auf der Erde; und tot läg' die Form auch noch heute im Boden, hätte anderer Wille vergessen, zu hauchen das Werde. |
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25 | ||
DRITTES LIED: Zwölftes Garn | ||
Vernimm erst das Seufzen zur Ehre der
Schwere, der du Scharlach bist hier im Gefüge von Würfel und Uhr: |
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Oft spaltet das ruhlose Züngeln
die Flamme, weder mag sie verlöschen im Blasen, noch stemmt sie dagegen; obwohl sich die Seele zutief nach der Heimat, nach Geborgenheit sehnt, strebt sie dennoch zur Wärme im Regen. |
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Beobachte, Scharlach, wie spielerisch
hurtig übers eiserne²° Antlitz ihr huschen geschwungene Schatten; ein Ausdruck des Lebens ist's, dir kaum verborgen, sind Gefühle einander umkreisend wie Vögel, wie Ratten. |
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Nicht stark scheint sie, bringst du
in deine Gewalt sie, doch ist mächtiger sie, weil sie aufbringt die Ahnung vom Wählen; und ihr kommt es zu, sich dem Urgrund zu nähern: will sie senken die Hörner in Demut, kann sie sich vermählen. |
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26 | ||
DRITTES LIED: Dreizehntes Garn | ||
Vernimm erst das Seufzen zur Ehre der
Schwere, die du Purpur bist hier im Gefüge von Würfel und Uhr: |
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Begegnet die Seele dem Trockenen, Purpur, dann erschrickt sie im Grund ihres Daseins, ihr Leuchten wird blasser; vergessen bereits hat sie Herkunft und Adel, noch nicht wiedergefunden die Richtung heraus aus dem Wasser. |
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Mit zinnernen²¹
Füssen und Händen muss fühlen sie den Boden, die Decke, die Wände, dem Gang unterworfen; an Räder gebunden wird jedesmal neu sie aus gelöstem und wissendem Wachen ins Leben geworfen. |
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Heut' sucht sie ihr Umfeld genau zu
ergründen, steuert hierhin und dorthin im Eifer, die Urkraft zu loten; sie zählt und sie misst und sie wiegt, was sie findet, glaubt im Kleinsten die Wirklichkeit nahe, zerschlägt manchen Knoten. |
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27 | ||
DRITTES LIED: Vierzehntes Garn | ||
Vernimm erst das Seufzen zur Ehre der
Schwere, der du Himmel bist hier im Gefüge von Würfel und Uhr: |
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Hält inne die Seele, erwächst
ihr ein Raunen, das aus Tiefen des Eigenen flüstert, wie wirklich das Wahre; sie ahnt, dass Geschehen nicht einseitig waltet, dass hinunter die Leiter, hinauf führt, sei Wiege sie, Bahre. |
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In Regung geraten durch tätigen
Anhauch wird dein Blau, Himmel, mählich ihr deutlich, erschaut sie das Funkeln; doch langsam nur tragen sie bleierne²² Beine an das Ende gezählter Gezeiten, wenn Sternlichter dunkeln. |
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Wie fern ist die Stunde des letzten
Erwachens, da die rötliche Seele am Meer steht, gefischt aus den Wellen; der Schauder im Angesicht drückender Summen sich zu Staunen verkehrt ob der Fülle, die Blashörner gellen? |
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28 | ||
DRITTES LIED: Zweite Vorrede | ||
Sagt, wie kämen Bälle in rollendes
Gleiten ohn' energisches Wollen von aussen als Anstossbewegung, und wie denn entstünde das Schauen im Finstern ohne Einfall des Lichtes von oben herein durch die Gürtel? Nicht leblos verblieben die Keime der Lösung, das Berührende fand zum Berührten, der Mensch hob den Kopf. |
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Ein jedes wünscht sich, aber nicht
immer andren, Unterstützung, Befreiung und Segen von spendenden Händen, doch fürchtet ein jedes auch tastend erschauernd den erdenklichen Fluch aus dem Zwiespalt der senkrechten Boten, die schwanger und schwängernd den Weg überbringen, deren Stich, deren Biss oft verflüchtigt die Hoffnung auf Flug.²³ |
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Wie aus anderen Welten euch die Geister verfielen, so steigen sie hoch. |
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29 | ||
DRITTES LIED: Fünfzehntes Garn | ||
Nun horch auf das Atmen im Bilden der
Worte und bemühe dein Wollen und Fassen, du Scholle im Weg: |
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Die Tochter als Mutter, geschwängert
und Jungfrau, wer dies denkt, gilt als Tor und will scheinbar der Wirklichkeit spotten; allein, dies ist Wink zur Geburt eines Neuen, jeweils Anstoss zum Kampf ums Erblühen und gegens Verrotten. |
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Der Geist hier verfügt über
innere Säfte, die von lebhaften silbrigen²⁴ Punkten den Körper durchfliessen; solang sie ihm strömen, solang mag er schreiten, mag er aufnehmen, abgeben, wandeln, dass Rosen ihm spriessen. |
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Fünf Tage schon waren vergangen
im Werden, eh' der Geist in die Scholle gehaucht ward als Ende der Werke; benetzt wurde er mit den Ölen vom Ölbaum, ihn zu zeichnen für spätere Handlung, auf dass er sich's merke. |
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30 | ||
DRITTES LIED: Sechzehntes Garn | ||
Nun horch auf das Atmen im Bilden der
Worte und bemühe dein Wollen und Fassen, du Wind überm Weg: |
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Vom Weg sei die Rede, vom Schwanken
nach vorne, von geduldigem Aufrichten wieder nach Ausrutsch und Fallen; der Pfade sind viele, der Geist muss entscheiden einem Kind gleich mit Ja oder Nein nur, wo Wörter sich ballen. |
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Ihn stützen beim Fortschreiten
kupferne¹⁹
Hüften, die nach links und nach rechts frei sich wiegen im Spiele der Glieder; er braucht eine Stütze, zu viel ist an Lasten durch des Daseins Alleingang zu tragen, sie drücken ihn nieder. |
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Ja, abwägen soll er die einzelnen
Stufen, soll sich immer aufs Neue befragen, wohin sie ihn führen; nach vier Schritten vorwärts und zwei Schritten rückwärts soll am Wegkreuz er rasten und mutig die Tafeln berühren. |
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31 | ||
DRITTES LIED: Siebzehntes Garn | ||
Nun horch auf das Atmen im Bilden der
Worte und bemühe dein Wollen und Fassen, du Quelle am Weg: |
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Was hindert den Geist nur, sich selbst
zu erlösen und zurück in das Wogen zu schweben, aus dem er gesunken? Er ist nicht mehr ganz, weil dem Drachen gewichen - im verbissenen Kampf mit den Fluten scheint fast er ertrunken. |
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Will weiter er schwimmen, um fort zu
gelangen, muss für Zeugung, Empfängnis er sorgen nach eiserner²° Regel; dies zwingt ihn, ins untere Leben zu tauchen, nimmt den Schwung ihm, sich sorglos zu heben, das Wölben im Segel. |
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Zunicht ward die Ruhe des siebenten
Tages, als dem Geist ging verloren die Hälfte, heraus getrennt leise; was vorher in Einheit verbunden gewesen, gegenüber ist's jetzt in der Zweifalt auf treibende Weise. |
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32 | ||
DRITTES LIED: Dritte Vorrede | ||
Wie fügen sich zweierlei Strecken
zum Dreieck, und wie füllen zwei grosse Gevierte ein grösseres drittes? Gelingt es dem Waag- und dem Senkrechten endlich, aus der Leere einander zu treffen, so zeigt sich das Schräge; erkennt diese liegende Frau in der Nähe jener stehende Mann aus der Ferne, dann keimt es, das Kind.³³ |
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Die Frucht des Erkennens im Haus ohne
Namen ward gefügt in die Lücke des Ringes aus Schlafen und Wachen; das tonige Kind zwischen Kalkstein und Kiesel²⁵ ist zum Spielen berufen, das eure durch Sinn zu beleben: wie Zwillingsgetier zieht es aus mit dem Bogen, zu befruchten, befruchtet zu werden, solange es soll. |
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Wie aus anderen Welten euch die Kinder erwuchsen, so schwinden sie fort. |
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33 | ||
DRITTES LIED: Achtzehntes Garn | ||
Betrachtet zum Letzten, wie schwermütig
manchmal aus dem Innen der menschliche Laut in das Aussen verströmt: |
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Zwei Böckchen beweiden die Wiese
des Kindes, eines liegt, eines steht, und verschieden ist deren Verlangen; das eine will nahen, in Demut vertrauen, alles klären, erforschen das andre, in zehnfachem Bangen. |
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Die Knie beugt das Kind jeden Tag ob
der Bürde, beide Ellbogen knicken verzweifelt in bleiernen²² Krämpfen; im Gegenzug kennt es auch Lachen und Freude, die den Mut und den Willen ihm stärken, das Leiden ihm dämpfen. |
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Die Zwietracht der Böckchen am
Ende entscheiden wird das Los als ein Spruch, der stets abwog, nie salzte, nie süsste; sodann werden beide ins Freie getrieben, zum Granittisch das eine, das andre zum Fels in der Wüste. |
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34 | ||
DRITTES LIED: Neunzehntes Garn²⁶ | ||
Betrachtet zum Letzten, wie flammend
auf einmal aus dem Innen der menschliche Laut in das Aussen verströmt: |
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Nach Sammeln der Kräfte in neun
Tagen Wartens strebt das Kind danach, Frucht zu erlangen, vorbei ist das Dösen; im Kampf will es lernen, das andre zu kennen, es zielt ab, den Geheimspruch zu treffen und dadurch zu lösen. |
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Bewegt werden Schenkel und Arme gemeinsam beim gespannten Voranschreiten federnd mit zinnernem²¹ Klirren; nicht Tod wird erstrebt oder schwarze Vernichtung, auf Geburt ist das Sinnen gerichtet, das Band zu entwirren. |
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Denn Aufgabe ist ihm das rüstige
Pilgern vom Bejahen des eigenen Ursprungs zum Aufbau des Neuen; erkennt es sich selbst, so erkennt es das Fremde und begreift es als sein Gegenüber, vergisst, es zu scheuen. |
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35 | ||
DRITTES LIED: Zwanzigstes Garn | ||
Betrachtet zum Letzten, wie rege zuweilen aus dem Innen der menschliche Laut in das Aussen verströmt: |
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Die Welt der Erscheinung ist Feld des
Verstandes, also leuchte er aus ihre Winkel mit dreifachem Wenden; der Weisheit²⁷ das bergende Tuch zu entreissen, dem Verstand ihre Reinheit zu beugen, das hiesse sie schänden.²⁸ |
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Ein Schulterpaar festigt die aufrechte
Haltung, hält mit lebhaften silbrigen²⁴ Klammern das Linke und Rechte; so trägt es den Gegensatz hoher Gewalten, die vereinfacht oft eingeteilt werden in gute und schlechte. |
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Und wieder ist Freiheit dem Kinde geboten, dass es selbst sich entscheide für diesen Bereich oder jenen; an welchem Gestade des Flusslaufs es stehe, es kann siegend den Segen erlangen, begreift es das Sehnen. |
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36 | ||
DRITTES LIED: Einundzwanzigstes Garn | ||
Betrachtet zum Letzten, wie träge
hinwieder aus dem Innen der menschliche Laut in das Aussen verströmt: |
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Der Lebensbaum wurzelt hinab an vier
Quellen, und nach oben hin teilt er sich stämmig in zwei grüne Kronen; das eine Geäst ist vollkommen im Währen, stets in Wandel erscheint uns das andre, dem Kinde zum Wohnen. |
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Dank silbernem²⁹
Zug wird der Brustkorb gehoben, durch ein Ausstossen fällt er zusammen, bemessenes Schwingen; so holt sich das Kind die belebende Hilfe aus den feinstofflich edlen Beständen, die all es umringen. |
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Das Kind soll erkennen, woher es gekommen, wie vom dortigen Blatt es gesprungen in hiesige Blätter; danach mög' nach vorne es blicken, zu schauen, wie's zurückschweben wird in das Rauschen durch tobende Wetter. |
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37 | ||
DRITTES LIED: Zweiundzwanzigstes Garn | ||
Betrachtet zuletzt, wie mit Leidenschaft
endlich aus dem Innen der menschliche Laut in das Aussen verströmt: |
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Nach langer, gezogener Nacht muss es
dämmern, dieses blassrote Aufschimmern deutet auf fünffache Wonne; denn Dämmerung kündet vom Glanz jenes Königs, der erscheint und den Fluss überschreitet im Lichte der Sonne.¹⁶ |
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Das Herz ist die goldene³°
Kammer des Lebens, durch die zählende Pulsschläge weben in strahlender Wärme; der Brennpunkt der Bahnen im Körpergeschehen ist verhüllt in den Brustraum gebettet, damit er nicht lärme. |
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Gelassen und heiter beherrsche das Kind
sich, für die andren verwende die Macht es, die hier ihm gegeben; in ihm erst geweckt wirket Liebe hinaus ihm, so bedenk' es bei all seinen Taten, dem Sinn zu zu leben. |
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38 | ||
NACHKLANG: Schlussrede | ||
Das Garn ist gesponnen, zum Knäuel
gewunden aus Erinnerung, Suche und Ahnung, was immer es zog. |
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Drei Lieder, auf euer Begehren gesungen, sind nicht Weistum zu nennen, nicht Wissen mit Gold³° aufgewogen; denn weder nahm wahr ich die raumlosen Bilder, noch war möglich mir, zeitlos zu hören, gar Eintritt ins Wogen, begegnet bin nicht ich dem Hüter des Tores,³¹ kenne kaum das mir eigene Dunkel, auch wehrte ich Drogen, und Jahre noch trennen mich streng von der Mitte, die ein jedes durchschreiten muss, eh' es den Kopf hebt vom Trog. |
||
Verdichteter Rahmen gedanklichen Schweifens aus der Schale³² heraus in die Weiten, ein silberner²⁹ Bogen, so mögen, in tönendes Gleichmass gegossen, diese Worte den Wegkindern dienen, zu stehen im Sog. |
||
40 | ||
porro | ||
sursum vel ad indicem | ||
© 1982-1984 by Ch.Loser Anm. © 2006 by DMGG revid.201907/202103 |
||
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