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Merkblatt-
Beilage 20a:
Die Datenkrake
Ob Internetsuche, Nachrichten oder Bücher - der Internetdienst Google baut seine Dienstleistungen immer weiter aus. Mit ‹Google Books› erstellt er derzeit ein elektronisches Archiv, das alle Bücher enthalten soll, die je gedruckt wurden. So hilfreich Googles Anwendungen sein mögen, es wird auch Kritik laut: Verletzung von Urheber- und Persönlichkeitsrechten, Kontrollzugriffe, der ‹gläserne› Mensch. Andreas Heertsch geht Googles Digitalisierung und Einverleibung des Weltgedächtnisses in seinen Wirkungen nach.
Wer täglich mit Programmen und Diensten von Google arbeitet, sollte auch wissen, mit wem er da arbeitet und was er Google zur Verfügung stellt. Sobald wir ins Internet ‹gehen› lässt sich unser Surfverhalten immer vollständiger verfolgen: Mehr und mehr Internetseiten schicken eine Nachricht an Google, die den Besucher der Seite durch die Internetadresse, eine international eindeutige Zahlenfolge, identifiziert.[a] Google erstellt daraus Anwenderprofile, um gezielt Werbung zu schalten.
So weit, so gut. Darüber hinaus versorgt Google jedermann mit modernen, kostenlosen Programmen, um persönliche Daten zu verarbeiten.
2 Wenn Wissen mächtig macht
Nehmen wir ‹Google Mail›: Ein praktisches Programm, mit dem man auch unterwegs seine E-mails abrufen kann. Aber der ‹Brief›-Kasten liegt auf Googles Computern im Vertrauen, das Briefgeheimnis werde gewahrt.[b] Nehmen wir ein nächstes Beispiel: ‹Google Earth› und die Browserversion ‹Maps›. Wer eine Reise planen will, kann hier Start und Ziel eingeben und sich dann aus der Vogelperspektive den ganzen Weg ansehen. Die gesamte Erde ist geografisch erfasst und mit Luftbildaufnahmen als zusammenhängendes Mosaik dargestellt.[c] In Zusammenarbeit mit Funknetz-Betreibern ist Google in der Lage, die räumliche Position eines Handys - und damit seines Benutzers - anzugeben, was aber nur mit seiner Zustimmung legitim ist.
Oder nehmen wir schließlich ‹Google Books›: Hier soll ein Online-Archiv angeboten werden, das alle Bücher enthält, die je gedruckt wurden. Das spart den Gang in eine Bibliothek und stellt außerdem eine Suche quer durch alle Bücher zur Verfügung. Was aber bedeutet es, das kulturelle Gedächtnis zu digitalisieren?
Wenn Wissen Macht ist, was in einer Verstandeskultur ja kaum bestritten wird, dann ist diese Firma auf dem Weg zur Alleinherrschaft.[d] Die Anhäufung von Daten verbunden mit leistungsfähigen Analysewerkzeugen, kann als Angriff auf die Privatsphäre [e] verstanden werden. Denken wir etwa an einen Arbeitgeber, der eine Neueinstellung vorhat. Schon heute kann er mit Google alle Internetseiten aufrufen, auf denen der Bewerber seine Spuren hinterlassen hat.[a] Da das Internet ein Elefantengedächtnis hat, werden seit Bestehen des World-Wide-Web beinahe alle Spuren der letzten 15 Jahre aufgelistet. Google könnte aber bereits heute weit mehr anbieten: (fast) alle Seiten, die der Bewerber je angesehen hat. Wenn die ehemalige DDR diese Werkzeuge gehabt hätte, wäre ihre Überwachung sehr viel effizienter durchführbar gewesen.[f]
3 Klug, aber handlungsfähig
Wie gelingt Google diese Wissensanhäufung? Während von den inneren Zielen dieser Firma durch ihre strikte Geheimhaltung [g] nichts nach außen dringt (wer weiß, wie man Informationen sammelt, weiß auch, wie man sie für sich behält) gibt sie sich nach außen als junges, dynamisches Unternehmen. Da ihre Programmangebote originell, gut durchdacht und fast alle kostenlos sind, gewinnen sie schnell an Verbreitung und leiten die Informationsflüsse auf die Computer von Google. War das Internet bisher eher hierarchielos, so baut Google nun ein Wissens- und Informationsmonopol auf, das etwa per Gerichtsbefehl oder im Auftrag eines Geheimdienstes missbraucht werden kann.
Hinter dieser Entwicklung zeigt sich eine geistige Macht (Ahriman [h]), die die Verstandesströme der Menschen lenken und einebnen will: Denn wenn man das Wissen vom Können trennt, entsteht Intellektualität. Überall finden wir heute die Tendenz, Können durch Wissen zu ersetzen. Ein Verfahren, das die klugen Menschen handlungsunfähig und die handlungsfähigen überflüssig macht.
4 Pendant zur Akasha-Chronik
Offenbar will Ahriman hier ein irdisches, untersinnliches, elektronisches Pendant zur Akasha-Chronik schaffen, jenem Weltgedächtnis, in dem alle (geistigen) Taten verzeichnet bleiben.[i] Parallel dazu kann man im ‹Global Village›, in dem jeder jeden mit wenigen Tastendrücken erreicht, den Versuch sehen, übersinnliche Bezüge von Mensch zu Mensch durch (unter)sinnliche zu ersetzen.[k] Diesen brillianten Angeboten fehlt allerdings meist gerade das Besondere, Individuelle, was nur in der unmittelbaren Begegnung möglich ist und eigentliche (gesellschaftliche) Entwicklung (und Fähigkeit) provoziert. Man kann in diesen Entwicklungen den Niedergang der Kultur beklagen, wenn das Menschliche auf Information beschränkt werden soll. Glaubte noch der Humanismus, dass Bildung (Wissen) [l] den Menschen gut machen werde, so zeigt sich heute deutlich, dass nur Wissen allein ‹gefügig› macht. Doch ist das Zeitalter des Verstandes schon so sehr vorbei, dass man ihn an Maschinen delegieren kann? Die angebotenen Kanäle Ahrimans lassen sich zwar menschlich-individuell nutzen, aber das erfordert, sich auf eine Bewusstseinsseelenkultur zu besinnen, die Erfahrung und Authentizität sucht.

in »das Goetheanum« 20·2009; S.2

Unsere Anmerkungen
a] Dabei wird vorausgesetzt, dass der/die Besucher/in (und niemand anderer sonst) zum Surfen immer denselben Internetzugang benützt. Dagegen bietet zB. ixquick.com eine anonyme Metasuche an, oder es wird ein VPN verwendet.
b] Das gilt für sämtliche entgeltfreie eMail-Boxen (zB. *@freesurf.ch, *@gmail.com.*, *@gmx.*, *@hotmail.com, *@yahoo.com) - dazu H.SPUDICH in »Der Standard« vom Montag, 17.Mai 2010, S.22: „Ein wesentlicher Teil des Problems besteht darin, dass die Benutzer von Google und anderen Diensten - Facebook fällt einem dabei derzeit an erster Stelle ein - für diese Konzerne eben nur das sind: "User", nicht Kunden. Die Kunden sind hingegen die, denen man diese User als Produkt verkaufen kann. Indiskretion ist kein Betriebsunfall, sondern ein Geschäftsmodell: Das ist die Schattenseite einer Gratiskultur, die uns unbestreitbar auch viele neue Möglichkeiten gebracht hat.” Doch Achtung: auch kostenpflichtige stehen keineswegs nur den jeweils Befugten offen.
c] Sensible Bereiche vor allem der USA werden hier freilich verdeckt oder verzerrt. Zudem sind einkopierte Verfremdungen oder gar Fälschungen nicht rundweg auszuschliessen.
d] was imgrunde jedes weltweit tätige Unternehmen mehr oder weniger anstrebt (Der Versuch von Microsoft etwa, via "Encarta" ein lexigraphisches Monopol aufzubauen, wurde von Wikipedia vereitelt.)
e] welche freilich von vielen Handy-, Smartphone- und Internet-Nutzer/innen kaum verteidigt, eher schon grob vernachlässigt wird
f] siehe zB. den Film «Das Leben der Anderen»
g] die alte Arkandisziplin in neuem Gewand, womit Google bei weitem nicht allein dasteht
h] vgl. Mbl.16
i] vgl. Zitate zu Akasha-Chronik
k] wie auch die Telepathie durch die Mobiltelephonie unterdrückt wird
l] Im Unterschied zur Ausbildung, die lediglich auf bestimmte Fertigkeiten gerichtet ist, wird Bildung eigentlich als die Fähigkeit bezeichnet, das jeweilige Wissen zu hinterfragen, einzuordnen und gegebenenfalls eigenständig anzuwenden (vgl. Digital-Manifest).
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