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Merkblatt-
Beilage 1d:
Gallun und die beiden Teufel
Nach Walahfrid Strabo: de vita Galli, caput VII
 
In seiner Barke sass Gallun, der rüstige Kelte, und sann. Um ihn dehnte sich Bodans weiter See. Wie gewöhnlich hatte Gallun sein Netz in die Fluten geworfen; nun harrte er des Fangs.
Wie liebte er doch das Fischen von Jugend an! Im Meer war er selbst einst geschwommen, bevor er Erins Küste mit den zwölf Brüdern verlassen hatte, um nimmer zu kehren. Wie liebt' er den Wald auch Baum um Baum, Wild um Wild, und wie liebt' er die festen Felsen, die ihn umgaben! Allein, die grünen Hügel konnte er nicht vergessen, von denen er immer wieder neu über den Spiegel geblickt hatte, der Morgensonne zu. In Flüssen und Bächen, in manch stillem Weiher war ihm so oft das kunstfertig ausgelegte Netz gefüllt worden. Und Comgall, der strenge Abt, hatte gelächelt, wenn Callech mit triefendem Sack die Klosterumfriedung betrat.
In seiner Barke sann Gallun; nicht achtete er auf das Kräuseln der Wellen, nicht auf das Schwellen der Brise. Ihm wob seine Seele Bilder, und weit öffnete sich sein Herz. Brigantium lag im Dunkel hinter ihm. Bald würden die Brüder zum Nachtgebet geweckt; aus bleiernem Schlaf würde das silberne Glöckchen sie rufen, das Columban schwingt. O Taube von Bangor, du Gesegneter Iona's, wie tief in den Osten hast du uns geführt! Diese Wasser taufen kaum einen, nichts wissen die Fische vom Lamm. Wohl liegen die ehernen Bilder der Heiden zerschmettert im schlammigen Grund, doch in wenigen Herzen nur brennt zaghaft ein Licht. Lang war der Weg in Aurelias Kapelle, und länger noch mag der weitere werden. Mit Seufzen blickte der einsame Mönch in den Westen - da glomm ihm von Ferne das Wachtfeuer der alten Feste entgegen.
Die Wellen schwollen; sie trieben den schwankenden Nachen nach vor und zurück. Wie träumend hielt Gallun sich fest. Ein eisiger Schauer fuhr ihm durchs wirre Haar, durch das weisse Gewand. Vor ihm in der Mitte des Sees tat ein gewaltiger Strudel sich auf; von den Bergen in seinem Rücken heulten tosende Winde. Mutter des Herrn, steh' mir bei, und du, reine Muhme Brighde! Der wogende Wirbel zog vom Sturme getrieben Kreis nach Kreis und mochte das Boot schier verschlingen. Das von Fischen schwere Netz jedoch schien es zu halten, sodass es dem Sog widerstand. Böe um Böe jagte darüber hinweg, und Donner rollten über den verdunkelten, aufgewühlten Himmel.
„Weh den Weissen!”, grollt's von oben. „Weh ihnen und weh dem verhassten Geläut! Ungebunden war ich im Walten, wie's wollte, und die Würmer opferten mir! Vor den ehernen Wandbildern, goldüberzogenen Göttern im erbärmlichen Tempel neigten sie sich, um mich zu ehren. Wo sind die Bilder heute, wo ist ihr Gold?”
„Weh uns, Junger!”, so tobt's aus dem Strudel zurück, und „Weh deinen Knechten! Deren Goldbilder sanken geborsten zu mir - der Kuttenträger einer hat sie zerschlagen und vor allem Volk in den Schlamm mir geworfen! Befährt meine Fläche, die Fisch' mir zu rauben, und schwängert mit seinen Gesängen die Luft. Weh ihm - wo mir nicht und dir!”
„Schlingst du ihn nicht, den elenden Fremden? Reisst nicht ihn mit Netz und Kahn in den Grund?”
„Eher fegst du ihn fort von den Hängen und schlägst ihm mit Steinen die Glieder wund!”
„Wollt' ich's ja, Alter! Ich kann ihn nicht fassen!”
„So muss auch ich ihn verfahren lassen!”
Ein Zittern lief durch Galluni gebeutelten Leib; langsam begann er sich aufzurichten, den Stürmen zum Trotz. Ruhig stand er endlich im tanzenden Boot und atmete schwer. Jetzt reckte er den linken Arm zu den bewegten Wolken, wies mit dem rechten streng hinab und rief mit Macht: „Chriosd im Berg, Chriosd im See, Chriosd in mir! Weichet geschlossen von Berg, See und mir: in Seinem Namen! Denn Ihm allein ist der Erdkreis. Amen.”
Mit lautem Schreien fuhr's vom Berg und aus dem See; von den Felsen hallt' es wie Brüllen wider. Ein greller Blitz zuckte durch den Himmel, und ein letzter Donner verrollte in den Norden. Auf rissen die Wolken, und über den geglätteten Wasserspiegel spielte auf einmal das Glänzen des Mondes zwischen den Sternen.
Still stand Gallun in seiner Barke; Schweigen ringsum, wär' nicht das Zappeln der Fische im Netz und sanftes Gluckern die Bootswand entlang.
Vom Ufer aber hob ein silberhelles Läuten an.
cm.jansa
 
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