FML JANSA
«Aus meinem Leben»
VI D
DER ERSTE WELTKRIEG
Verbindungsoffizier bei der 1.bulgarischen Armee,
dann beim Oberkommando v.Below in Makedonien
6.II.1916 - 31.III.1917
Von Niš fuhr ich, reichlich mit Insektenpulver versehen, nach Sofia, um mich bei unserem dortigen Militärattaché zu melden.
Sofia war damals noch nicht groß. Das neue Zentrum der Stadt begann sich um den recht respektablen Königspalast und um die neue mit russischer Unterstützung sehr prunkvoll gebaute griechisch-orthodoxe Kirche zu entwickeln. Der Kirche gegenüber erhob sich das schöne Denkmal des "Zar-Befreiers". Die Straße war sehr breit angelegt, in ihr lagen auch die meisten Gesandtschaften.
Wenn ich gehofft hatte, auf der Eisenbahnfahrt etwas von Bulgarien zu sehen, so wurde ich enttäuscht: die bulgarischen Eisenbahnwaggons hatten alle Fenster so verklemmt und mit weißer Farbe gestrichen, daß man sie weder öffnen, noch hinaussehen konnte. Die heillose Angst vor Spionen war in den ostslavischen Völkern allgemein. Was die Bulgaren den Augen der Reisenden vorenthalten wollten, war mir nicht klar: ihre Armee stand längst in Serbien und Makedonien, sonst hatten sie kaum etwas zu verbergen. Das mußte eine Folge der Jahrhunderte währenden Türkenherrschaft sein, während der die unterdrückten Bulgaren alles verstecken mußten, um nicht von den Türken leergeraubt zu werden.
In Sofia fiel ich nicht nur wegen der dort kaum bekannten Uniform auf. Mein langsames Gehen und Schauen veranlaßte zwei Polizeioffiziere mich höflich zu bitten, vor dem Königspalast nicht stehenzubleiben. Dabei lag zwischen Gehsteig und Palast ein etwa fünfzig Meter breiter Vorgarten, der gegen die Straße mit einem hohen Eisengitter abgeschlossen war. Allerdings hatte ich schon im Stab Mackensens vom bulgarischen Verbindungsoffizier, Obstlt.Tantiloff, gehört, daß der König unter großer Attentatsfurcht leide und Eisenbahnfahrten in seinem Land grundsätzlich auf der Lokomotive absolviere, die er selbst führe. Tatsächlich sitzen ja am Balkan die Pistolen locker in den Taschen: während meines kurzen Aufenthaltes in Sofia wurde ich Augenzeuge, wie auf der großen Avenue ein gutgekleideter Zivilist einen politischen Gegner bei der Begegnung einfach niederschoß. Solche Vorfälle regten die Polizei nicht auf; sie kamen häufig vor.
In der Gesandtschaft traf ich nur den jungen Generalstabshauptmann Lokar, der dem Militärattaché zugeteilt war. Obst.Laxa selbst war nach Teschen und Wien verreist; er sollte erst am übernächsten Tag zurückkommen. Lokar konnte mir nicht viel erzählen; ich wußte ja mehr als er. So setzte ich mich einfach wieder in den Zug, um mir Konstantinopel wenigstens ganz flüchtig anzusehen. Heute bedauere ich es sehr, daß mein eingeborenes Pflichtgefühl mich nicht länger in Istanbul bleiben ließ; ich hätte nichts versäumt. So konnte ich gerade nur die herrliche Lage am Bosporus auf mich wirken lassen. Dann fuhr ich wieder hinter blindgemachten Fenstern nach Sofia zurück.
Obst.Laxa war Kroate und galt bei seinen Konationalen als einer der besten Offiziere. Ich hatte schon einiges Lob über ihn im Frieden in Sarajevo von Obst.Mihaljevic gehört. Laxa war auch eine gute Erscheinung und hat sich später als hervorragend tapferer Truppenkommandant erwiesen. Auf seinem Attachéposten als Generalstabsoffizier war er schon im Auslauf und brachte aus Wien die Nachricht mit, daß er bald durch den kränklichen Mjr.Novak ersetzt werde.
Laxa hatte gleichfalls nicht viel zu erzählen: bei ihm war ein Nachrichtenzentrum, so wie bei unseren Militärattachés in Konstantinopel und Athen. Ich sollte ihm nach Sofia "nur Nachrichten" senden. Er habe in Bitolja (Monastir hieß es auf türkisch) im Konsul Hoflehner, der Reservehauptmann sei, einen guten Referenten, der auch mir zur Verfügung stehe. Über alles operativ-taktische habe ich aber bloß an das AOK nach Teschen zu berichten, dem ich ja unterstünde. Die Bulgaren hätten am Balkan allerlei stets wechselnde Ambitionen. Da möge ich aufpassen, was sie jeweils planen. Und als Abschluß gab er mir den Rat auf den Weg, wenn mir ein Bulgare nicht sage, was ich zu wissen brauche, ihm mit einer Verklagung beim König zu drohen. Jeder Bulgare habe etwas Unkorrektes getan, das ihn belaste. Man könne ihm ohneweiters sagen, man wisse etwas von ihm, dann werde er sofort weich.
Eine Vorstellung bei unserem Gesandten hielt Laxa für einen ganz nutzlosen Zeitverlust. Darum reiste ich am nächsten Morgen nach Niš zurück und sprach noch einmal in der Operationsabteilung des OK Mackensen vor, um die Nachsendung meiner Pferde mit ihren Wärtern zu erbitten.
Da wurde ich auch gleich mit dem von der deutschen Obersten Heeresleitung zur 1.bulgar.Armee entsendeten Hptm.Schulhof bekannt gemacht, mit dem mich in der Folge während der kurzen Zeit unseres Beisammenseins herzliche Freundschaft verband. GM.v.Seeckt legte uns beiden nahe, möglichst rasch die genaue Lage der 1.bulgar.Armee festzustellen, da man aus deren Meldungen nicht klug werden konnte.
Die Eisenbahn war gerade bis Veleš (Köprülü) fertig geworden, so daß wir bis dorthin Schulhofs beide Autos und meine Pferde verladen und mitnehmen konnten. Von Veleš fuhren wir auf einer damals noch leidlich guten Straße über Gradsko nach Bitolja. Der brave Kern, mein Pferdewärter, folgte im Fußmarsch.
Im bulgarischen Armeekommando in Bitolja, einer staunenswert hübschen, mehr griechischen als serbischen Stadt, wurden wir sehr freundlich aufgenommen und in äußerlich gute Quartiere eingewiesen.
Bald erkannte ich, daß mein Quartier nicht weniger als alle anderen verwanzt war. Die Bettfüße standen in leeren Konservenbüchsen, die mit Wasser gefüllt waren, um den Zug der Wanzen zu unterbrechen. Wie ich bald feststellen konnte half das jedoch nichts, denn die schlauen Tiere krochen über die Wände auf den Plafond und ließen sich von dort ins Bett fallen, um vom menschlichen Körper das ihnen nötige Blut zu saugen. Das Bett war täglich frisch mit Insektenpulver bestreut, was auf die Tiere keinen Eindruck machte. So blieb am Ende nichts übrig, als sich in das insektenreiche Schicksal zu ergeben. Zu den Wanzen gesellten sich bei Beginn der wärmeren Jahreszeit noch die Stechmücken, unter denen auch die Malaria verbreitende Anopheles zu fürchten war. Die Betten hatten wohl Schutzvorhänge aus Musseline, aber auch diese waren kein ganz sicherer Schutz. Die Bekämpfung des Ungeziefers im eigenen Wohn- und Schlafraum wurde auch dadurch erschwert, daß die griechischen Häuser infolge Holzmangels keine festen Fußböden, sondern nur Holzroste besaßen, die mit Teppichen bedeckt waren. Das ließ den Raum zwar gefällig aussehen, doch war dadurch die freie Bewegung fürs Ungeziefer im ganzen Haus gegeben. Um halbwegs schlafen zu können, blieb schließlich nur ein erhöhter Alkoholkonsum als Helfer übrig. Das war kein gesundes Leben und die Folgen zeigten sich nach Monaten mehr oder weniger schwer bei allen aus Mitteleuropa stammenden Truppen. Besonders bei dem in Albanien stehenden öst-ung. XIX.Korps waren die andauernden Ausfälle an Menschen erschreckend hoch. Aber auch die deutschen Friedhöfe in Makedonien bargen bald mehr an Darmerkrankungen Gestorbene als vorm Feind gefallene Personen.
Von österreichischer Seite amtierte in den besetzten südlichen Gebieten der Wiener Dermatologe Professor Arzt, von deutscher Seite in Skoplje (Üsküb) der Tropenforscher Prof.Fülleborn. Solange die Mittelmächte genügend Chinin und das in Afrika gewonnene Darmmittel Usora zur Verfügung hatten, konnte man den Leiden wenigstens teilweise beikommen. Mit der längeren Kriegsdauer und der erbarmungslosen Feindblockade wurden Chinin und Usora rar, was die Kriegführung infolge des schlechten Gesundheitszustandes der Kommandos und Truppen in Albanien und Makedonien schwer beeinträchtigte.
Der Balkan barg überdies in der Kleiderlaus den Verbreiter des Flecktyphus, dem im Winter 1914/15 soviel Serben erlagen. Dieser Plage konnte durch Vernichtung der Kleiderlaus in hochtemperiertem Dampf begegnet werden. Der deutsche Sanitätsdienst hatte mit dem Bau von Entlausungsanstalten rasch und großzügig geholfen.
Bitolja war Endstation einer von Saloniki kommenden Eisenbahn, die bis zur ihrer Besetzung durch die Bulgaren die Stadt mit allen Bedürfnissen reich versorgt hatte. Jetzt war durch die unter Général Sarrail in Saloniki gelandeten französischen und englischen Truppen die Versorgung gänzlich unterbunden. Damit war den Mittelmächten eine kaum zu bewältigende Last aufgebürdet. Denn abgesehen davon, daß die nur langsam wieder herstellbare Eisenbahn von Belgrad im Vardartal bis Gradsko kaum den Nachschub für die Truppen bewältigen konnte, begann sich bei den Mittelmächten auch die durch die Feindblockade geschaffene Mangellage immer schärfer auszuwirken. Das machte begreiflich, daß die unzureichend versorgte Bevölkerung von Stadt und Land uns wenig wohl gesinnt war.
Wie abhängig die Bevölkerung ganz Südmakedoniens von Saloniki war, konnte man auch an den Hausreparaturen aller von Bitolja westwärts gelegenen Orte erkennen. Das Land ist zu großen Teilen Karstgebiet, also ohne Wälder, arm an Holz. Loser aufeinander geschichteter Bruchstein ist das vornehmliche Baumaterial. Zu diesem gesellte sich im Lauf der Jahre das Blech der Kanister jener englischen Öl-Firmen, die in Saloniki ihren Sitz hatten. Die Orte erstrahlten bei Sonnenschein wie reich vergoldet; bei näherem Hinsehen funkelte das Blech aufgeschnittener Ölkanister, das als Dachbelag, Rauchabzug und an Stelle von Türen und Fenstern von den armen Bewohnern verwendet wurde.
Aus der Zeit vor dem Balkankrieg 1912, da ganz Makedonien dem osmanischen Reich zugehört hatte, amtierten in den Städten Skutari, Skoplje, Prizren und Bitolja öst-ung. Konsuln zur Wahrnehmung der reichen Handelsinteressen, welche die Monarchie dort pflegte. Dem Verlangen Serbiens, das diese Gebiete 1912 erobert hatte, zum Trotz waren diese Konsulen nicht abgezogen worden. Diese tapferen Männer und Frauen hielten auf ihren Dienstposten bis 1916 aus und hielten allen Widrigkeiten und Schikanen stand. In diesem Jahr wurden sie nach Abschluß von Verträgen mit den Bulgaren, welche die Eigentumsrechte der Österreicher und Ungarn in diesen Gebieten regelten, abgezogen.
Mein deutscher Kollege, Hptm.Schulhof, war mit den Verhältnissen auf dem Balkan in keiner Weise vertraut, er sprach jedoch einigermaßen französisch, was ihm wenigstens den Verkehr mit einem Teil der bulgarischen Generalstabsoffiziere ermöglichte.
Meinerseits war ich wahrscheinlich wegen der in meiner Qualifikationsliste vorgemerkten Sprachkenntnisse zu den Bulgaren entsendet worden. Aus der Zeit meiner Friedensgarnisonierung in Bosnien wußte ich, wie naturbelassen die christlichen Balkanvölker waren, wie sehr sie freilich auf ihre große Vergangenheit vor der Türkenherrschaft stolz waren und überempfindlich in allen Belangen. Auf keinen Fall vertrugen sie eine Behandlung von oben herab; sie fühlten sich uns nicht nur in allem ebenbürtig, sondern - wie das ja bei einfachen Leuten oft der Fall ist - mitunter sogar uns überlegen. Das alles legte ich Schulhof während unserer gemeinsamen Fahrt nach Bitolja dar und riet ihm eindringlich, die preußisch-hochfahrende Art der Sprache und des Auftretens nicht gegenüber den Bulgaren anzuwenden; für meine Person würde ich mich den Bulgaren gegenüber in keiner Weise anders benehmen als Mackensen, Seeckt und den anderen deutschen Herren gegenüber. Schulhof ging offen auf meinen Rat ein; allein dem Preußen ist halt die Forschheit Natur geworden, und er wird trotz guter Vorsätze allzuleicht rückfällig.
Bei unseren ersten Erkundigungen über die Detailgruppierung der 1.bulgar.Armee, die wir mit gleichem Ziel, aber getrennt unternahmen, erkannte ich bald, daß die Bulgaren mangels ausreichender Telephon- und Telegraphenausrüstung selbst nicht genau wußten, wo sich alle Teile ihrer 3.bulgar.Division befanden, die sich an ihrem Westflügel gegen Albanien hin betätigen sollte. Sofort bot ich dem Generalstabschef Obst.Azmanow an, ihm insofern dienlich zu sein, als ich die Verbindung zu unseren öst-ung.Truppen in Richtung auf Elbasan aufnehmen möchte und unterwegs alle mir begegnenden bulgarischen Verbände feststellen und ihm darüber genauen Rapport erstellen werde; es wäre nett von ihm, mir einen bulgarischen Offizier mitzugeben. Mit diesem Wunsch gelang es, von Haus aus allem Mißtrauen zu begegnen.
Schulhof hingegen hatte von Armeekommandant Gen.Bojadijeff genaue Orientierung gefordert und als dieser sie ihm nicht erschöpfend geben konnte, einen hochfahrenden Ton angeschlagen, der den General derart verletzte, daß er im Wege seiner bulgarischen Heeresleitung sofort die Ablösung Schulhofs durch einen anderen deutschen Offizier forderte, was mir Obst.Azmanow auch bald mitteilte.
Vorerst blieben die Bulgaren uns Verbindungsoffizieren, also auch Hptm.Schulhof gegenüber voll korrekter Höflichkeit. Der kleine Armeestab aß in einem kleinen beschlagnahmten Restaurant zu Mittag. An diesen Mittagstisch wurden wir beide geladen; ich bekam den Platz unmittelbar gegenüber Gen.Bojadijeff angewiesen; Schulhof wurde zwei Sitze weiter, ihm schräg gegenüber gesetzt. Das Menu war wenig abwechslungsreich: fast täglich Hammelbraten mit viel grünem Gemüse und dazu dickrahmige Büffelmilch, die sie "kiselo mljako" nannten; Mehlspeise wurde nur selten gegeben, meist etwas Obst. Die Bulgaren sind im allgemeinen Antialkoholiker. Bei unserer ersten Anwesenheit gab es eine Flasche Wein, aus der mir der Armeekommandant persönlich ein Glas kredenzte. Als er mir zutrank, stand ich - entgegen unserer österreichischen Art - auf, um meinem deutschen Kollegen gegenüber nicht weniger höflich zu erscheinen, was Bojadijeff auch sehr artig aufnahm. Dann nickte er auch Schulhof zu, der sich ebenfalls erhob. Die Konversation wurde teils französisch, teils bulgarisch geführt. Rechts von mir saß der Chef der Operationsabteilung Obstlt.Gantscheff, der auch deutsch sprach. Links hatte ich den bulgarischen Ib, Mjr.Litscheff zum Tischnachbar. Mir schräg gegenüber saßen zu beiden Seiten des Armeekommandanten der Artilleriechef Obst.Kušeff, der deutsch gut verstand, und Obst.Azmanow. Alles waren höfliche, intelligente Menschen, so wie wir Österreicher sie als Kroaten oder Serben aus unserer eigenen Armee gut kannten und in ihrer Schlichtheit sehr schätzten.
Die Konversation bewegte sich viel in den augenblicklich interessanten dienstlichen Fragen und in der immer wiederkehrenden Behauptung und mehr oder weniger starken Beweisführung, daß Makedonien bulgarischen und nicht serbischen Bevölkerungsstammes sei. Bei Tisch wurde auch meine geplante Verbindungstour ausgehandelt, die in vollem Umfang mitzumachen sich Schulhof entschlossen hatte. Azmanow teilte uns den einzigen Ordonnanzoffizier im Armeekommando, Oberlt.Sawoff, zu, ein sehr netter, vollkommen deutsch sprechender Offizier; sein Vater diente seinem König als Generaladjutant in dessen Hofstaat; seine Mutter war Wienerin.
Nach eingehendem Kartenstudium organisierten wir unsere Expedition. Bis Kukus führte eine fahrbare Straße, weiter westwärts jedoch nur mehr ein Saumweg. Daher beschlossen wir, meine Tragtiere mit meinem bosnischen Tragtierführern zwei Tage vor unserem Aufbruch nach Kukus vorauszusenden und am 15.Februar mit den beiden Autos Schulhofs zu folgen. In diese verstauten wir Verpflegung und Hafer für die Tragtiere.
Die schön gelegenen Orte Resna, Ohrida und Struga reizten zu späteren Besuchen. Sie waren alle von bulgarischen Kompanien besetzt. In Kukus trafen wir eine bulgarische Kompanie der 3.Division als deren westlichste Sicherung. Weiter nach Westen hatte sie nicht aufgeklärt und wollte auch nicht vorfühlen; sie wurde später von den Bulgaren nach Debra zurückgezogen.
Kukus hatte früher eine türkische, dann eine serbische Garnison gehabt. Es war ein armseliges Bergdorf, in dem nur die türkischen Kasernbauten auffielen. Diese bestanden aus einem festen Steinbau für die Kommandantur und ebenerdigen Mannschaftsunterkünften im Dreiecksprofil. Die bulgarischen Offiziere machten uns einen Schlafraum im Kommandogebäude frei, wofür wir sie aus unserem Lebensmittelvorrat bewirteten. Für unseren geplanten Fußmarsch nach Westen konnten uns die Bulgaren lediglich Warnungen vor den einheimischen Bewohnern Albaniens, den durchwegs bewaffneten Skipetaren, geben, die auf alles schossen, was sie sahen.
Am folgenden Tag brachen wir früh zu Fuß auf, gefolgt von unseren Tragtieren, die wir mit den Vorräten beladen hatten. Karten konnten hier nur als grober Anhalt gelten: das albanische Land war nie vermessen worden; die Eintragungen waren auf Grund von Angaben einzeln reisender Forscher und unserer Konsuln gemacht worden. Der Skumbi-Fluß, dessen Lauf wir im allgemeinen zu folgen hatten, durchbrach die bis 1800 Meter hohen, von Nord nach Süd streichenden Bergrücken in steilen Schluchten, die vielfach durch einen kaum wahrnehmbaren Fußweg umgangen wurden, dem wir zu folgen hatten. In dieser Höhe lag überall noch Schnee, der Marsch war beschwerlich. Neben den Pistolen hatten wir uns mit Karabinern bewaffnet. Ab und zu schwirrten Geschosse um unsere Köpfe, richteten jedoch keinen Schaden an. Wir selbst sahen keinen Anlaß zum Waffengebrauch. Am Nachmittag erreichten wir die unbesetzte Paßhöhe Babia, wo wir angesichts des früh zu erwarteten Dunkelheitseinbruches nächtigten. Einzelne Albaner kamen zu uns; ihre Sprache war uns völlig fremd, so daß eine Unterhaltung mit ihnen nicht zu führen war; für ein paar Zigaretten und etwas Zucker zeigten sie sich dankbar und verließen uns wieder.
Der folgende Marschtag war leichter, weil es immer bergab ging. Am frühen Nachmittag trafen wir in Elbasan ein. Ein paar Stunden früher war von Norden her eine Kompanie des k.u.k.Landsturm-Inf.Rgt.23 eingetroffen. Ihren Kommandanten, Hptm.Verkljan, kannte ich vom Frieden her. Mit ihm war auch der abenteuerliche Führer der albanischen Freischaren Giraldi gekommen, ein ehemaliger österreichischer Offizier des Inf.Rgt.97 (Triest).
Die Freude über die so rasch erlangte Verbindung war allgemein und groß. Wir konnten den österreichischen Herren jetzt genaue Angaben über die Bulgaren geben und ihnen Beruhigung bringen, daß von Osten her keine Feindgefahr drohe. Von österreichischer Seite erfuhren wir die ungeheuren Geländeschwierigkeiten für Truppenbewegungen und jeglichen Nachschub im straßenlosen Albanien.
Zur Nächtigung empfahl uns Giraldi das Haus Schefket Beys, der außer Landes gegangen sei: die albanischen Oberen wollten vermeiden zwischen Österreichern, Serben, Bulgaren und den seit Mitte 1915 in Valona stehenden Italienern Partei zu nehmen. Ihre Familien hatten sie zur Sicherung ihres Besitzes in ihren Häusern gelassen, ein schönes Zeichen des Vertrauens in die humane österreichisch-ungarische Art der Kriegführung.
Der französischsprechende Verwalter Schefkets nahm uns sehr höflich auf und bat uns in den Garten. Bald darauf erschien er mit dem kleinen Töchterchen und zwei Kavassen, die Marmelade und Wasser als Willkomm servierten. Die muslimischen Sitten von Sarajevo her kennend fragte ich den Verwalter, ob Frau Schefket sich hinter den eng mit Holzleisten vergitterten Fenstern aufhielte. Als er das bejahte, forderte ich Schulhof und Sawoff auf, uns entblößten Hauptes tief in Richtung dieser Fenster zu verneigen, was auch geschah. Dieser Gruß wurde durch die vom Verwalter bald überbrachte Kunde erwidert, wir mögen es uns im Prunkzimmer des Hauses gutsein lassen; auch für unsere Leute solle gesorgt werden. Wir ließen durch den Verwalter der Hausfrau unsere Namen melden, woran ich am folgenden Tag nach Rücksprache mit Verkljan und Giraldi auch die Versicherung geben konnte, daß die öst-ung.Truppen der Familie Schutz gewähren würden.
Den nächsten Tag nutzten wir, um unsere Berichte an unsere vorgesetzten Dienststellen zu schreiben und uns mit den öst-ung. Offizieren sowie dem Freischarführer Giraldi zu unterhalten. Wir erfuhren, daß das XIX.Korpskommando die 20.Gebirgsbrigade an die Vojusa vorschieben wollte, jedoch im Land keinerlei Lebensmittel aufzutreiben seien, weshalb es lange dauern werde, bis die Absicht durch einen geordneten Nachschub umgesetzt werden könne. Giraldi erzählte, daß er mit seinen viel anspruchsloseren albanischen Freischaren an die Vojusa südwärts vordringen wolle; Österreich müsse seine Leute allerdings mit Goldmünzen bezahlen, denn diese dienten nur dem besseren Geldgeber; ob der Österreicher, Italiener oder Serbe sei, wäre den Albanern gleich. Hier bestanden also noch mittelalterliche Landsknecht-Verhältnisse. Schließlich bat ich Verkljan dem XIX.Korpskommando, dessen Kommandant Gen.Trollmann mir von Sarajevo, dem ersten und dem kürzlichen Feldzug gegen Serbien gut bekannt war, zu melden, daß ich nun in Bitolja (Monastir) sein werde und die Bulgaren zu jeder Hilfe bringen wolle, die von unseren Truppen in Albanien benötigt würde; momentan seien aber auch bei den Bulgaren die Nachschubverhältnisse sehr schwierig.
Zu unserer Überraschung ließ Frau Schefket Bey uns am folgenden Tag, unserem letzten in Elbasan, ein komplettes türkisches Mittagessen servieren. Es gab eine süße Suppe, gebratenen Hammel mit stark gesüßtem Kompott und eine Honigspeise. Wir ließen durch den Verwalter schön danken und kauften für ihr Kind in der Elbasaner Csarzija ein paar einfache Spielsachen, wofür die Kleine nocheinmal zur Verabschiedung gebracht wurde. Am nächsten Morgen nahmen wir im Garten vor den dicht vergitterten Haremfenstern Aufstellung und machten gegen diese die übliche tiefe Verbeugung.
Der Rückmarsch erfolgte in zwei Tagen ohne bedeutsame Ereignisse bis Kukus. Am dritten Tage hofften wir mit den Autos bis Bitolja zu gelangen. Aber es war Tauwetter eingetreten, das die schwache Schotterstraße weich machte. Kurz an der Grenze zu Makedonien brachen wir bis zu den Achsen in den Straßenkörper ein, und solange das Tauwetter anhielt, war jedes Bemühen die Autos freizubekommen vergeblich. Wir nächtigten in den Wagen. Um Mitternacht begann es glücklicherweise zu frieren, und gegen Morgen bekamen wir die Autos frei. Mittags kamen wir wieder in Bitolja an.
Dort berichtete ich Obst.Azmanow alles, was wir über seine Truppen in Erfahrung gebracht hatten, und auch über die Lage und weiteren Absichten des öst-ung.Korps in Albanien.
Einige Tage später kam von deutscher Seite die Nachricht, daß Hptm.Schulhof durch einen Mjr.v.Hinckeldey ersetzt würde. Schulhof war ein tüchtiger Generalstabsoffizier, mit dem ich mich gut gesprochen hatte, so daß mir seine Abberufung leidtat. Doch mit Mjr.v.Hinckeldey war der richtige Mann für den Umgang mit den Bulgaren gekommen. Zwar war er schon 1910 wegen Übernahme seines Familienbesitzes aus dem aktiven Generalstabsdienst ausgeschieden und hatte jenen bis in den Krieg hinein bewirtschaftet; ein gütiger, bescheidener und liebenswürdiger Mann, garnicht preußisch, und von Posen her konnte er polnisch, was ihn bald befähigte, sich mit den Bulgaren ohne Dolmetsch zu verständigen. Mir gegenüber war er stets zuvorkommend und kameradschaftlich, so daß ich ihm bis heute eine liebe Erinnerung bewahre.
Die Verhältnisse in Bitolja waren im Frühjahr recht abwechslungsreich. Die Bulgaren wollten die Entente-Truppen in Griechenland angreifen und ganz vom Balkan vertreiben, weil sie nicht zu Unrecht die Auffassung vertraten, daß ihre tapfere Bauernarmee im Angriff tüchtig sei, aber einen Stellungskrieg nicht begreifen werde. Wenn es keinen Kampf gibt, drängt der Bulgare heim, um als tüchtiger Bauer seinen Boden zu bearbeiten. Allerdings wußten die Bulgaren nicht, was es hieß, mit den technisch und artilleristisch reich ausgestatteten französischen und englischen Divisionen zu kämpfen.
Von der Heeresgruppe Mackensen her wußte ich, daß auch unser Chef des Generalstabes, FM Conrad, die Entente-Truppen ganz vom Balkan vertreiben wollte, die deutsche Oberste Heeresleitung sich jedoch mit dem halben Erfolg zufriedengab. Wie mir GM.v.Seeckt gelegentlich meiner Nachmittagsreferate erklärt hatte, hatte dies mehrere Gründe: erstens war Falkenhayn am Balkanfeldzug nur interessiert gewesen, damit die Donau für Munitionstransporte in die Türkei frei würde, und das war geschehen; zweitens hätte man die Entente-Truppen in Griechenland angreifen müssen und dadurch dieses uns gegenüber vorläufig noch neutrale Land auf die Seite der Entente getrieben; dafür war man in Deutschland bereit, sich mit der von den Entente-Truppen völlig mißachteten griechischen Scheinneutralität abzufinden; überdies war die griechische Königin eine Schwester Kaiser Wilhelms II., was allerdings nicht verhindern konnte, daß Griechenland uns den Krieg erklärte, sobald Venizelos Ministerpräsident geworden war; ein letzter Grund lag schließlich in der Überlegung, daß der bulgarische Bundesgenosse sich auf keinem ihn nicht unmittelbar betreffenden Kriegsschauplatz verwenden ließ und man ihn deshalb mit der Bedrohung Makedoniens durch die Entente-Truppen im Bündnisverhältnis erhalten und beschäftigen wollte.
Der eigentliche Grund für die folgende monatelange militärische Untätigkeit lag in den dauernden Nachschubschwierigkeiten, die auch nach vollkommener Wiederherstellung der eingleisigen Eisenbahn Belgrad-Skoplje-Gradsko nicht behoben waren. Eine ausreichende Munitionierung, namentlich schwerer Artillerie, wie sie ein Angriffsunternehmen gegen die - einschließlich der retablierten serbischen Armee - fast 20 Divisionen zählende Entente-Armee unter Sarrail erfordert hätte, wäre nicht möglich gewesen. Auch unsere öst-ung. Truppen in Albanien waren wegen der dort noch viel ungünstigeren Nachschubverhältnisse operativ unbeweglich geworden.
Unter diesen Umständen konnte die Aufgabe der bulgarischen Armeen an der griechischen Grenze lediglich in der gründlichen Vorbereitung von Gelände und Truppen für eine nachhaltige Verteidigung bestehen, um die Entente-Streitkräfte, im Fall diese zum Angriff schreiten sollten, verläßlich abwehren zu können. Um sich den hiefür notwendigen Einfluß auf die bulgarischen Armeen zu wahren, hatte die deutsche Heeresleitung das OK Mackensen in Makedonien belassen; dieses verlegte seinen Standort Ende Februar 1916 nach Skoplje, der Stadt am Vardar, die einen Kommunikationsknoten ersten Ranges bildete.
Hochinteressiert beobachtete ich, wie die Deutschen es verstanden, sich unter geringstem Einsatz eigener Truppen und Kampfmittel den beherrschenden Einfluß zu wahren: Mackensens Heeresgruppe bestand aus der 1.bulgarischen und der 11.deutschen Armee. Diese deutsche 11.Armee hatte jedoch nur eine deutsche Division; sonst bestand sie aus bulgarischen Truppen. Um sich aber auch den Einfluß auf die 1.bulgar.Armee zu sichern, wurden dieser einige schwere deutsche Batterien, eine Feldflieger-Abteilung und eine Funk-(Radio-)Station, sowie einige deutsche Offiziere als Instruktoren für Ausbildung und Stellungsbau beigegeben. Für die Monate Februar und März wurde überdies, hauptsächlich zur Beispielgebung, ein deutscher Brigade-General (Busse) und ein ostpreußisches Infanterieregiment zugeteilt, die im April wieder abgezogen wurden, ich glaube in die Knochenmühle von Verdun.
Das Infanterieregiment exerzierte sehr viel und leistete vorzügliches im Stellungsbau. Auch die Gefechtsausbildung wurde vom Regiment mit einem im Vergleich zu uns Österreichern enormen Aufwand an scharfer Munition für alle Waffen betrieben. Und mein Kommiß-Herz lachte in ehrlicher Freude, wenn das Regiment ebenso korrekt und stramm, wie man sich allerbeste Gardetruppen vorstellt, mit klingendem Spiel durch Bitolja marschierte. Ich war mindestens an drei Tagen der Woche bei diesem Regiment und habe dort für mein späteres Leben sehr viel gelernt.
In Östereich-Ungarn hatte es nicht nur immer an materiellen Mitteln, besonders an Munition und Spezialwaffen und - ausgenommen in Bosnien-Hercegovina - auch an geeigneten Truppen-Übungsplätzen gefehlt (der grandiose Artillerieschießplatz in Hajmáskér war eine herzerfrischende Ausnahme gewesen). Vielmehr war auch der von mir für die Truppenausbildung und -disziplinierung unentbehrlich gehaltene Drill zugunsten einer rein verstandesmäßigen Gefechtsausbildung zurückgestellt worden. Während die Deutschen jede Gelegenheit nützten, um die jeweils aus der vordersten Front gezogenen Truppen sofort wieder schärfstens zu disziplinieren und auszubilden, wurde unseren aus der Front gezogenen Truppen im allgemeinen mehr Ruhe und Erholung gewährt. Der ganze preußische militärische Stil war härter und fordernder, was dazu beitrug, daß die deutschen Truppen weniger oft versagten als unsere gemischtsprachigen.
Auf die Bulgaren machte dieses vorbildlich gehaltene deutsche Infanterieregiment allerdings weniger Eindruck. Sie waren von Natur aus bequemer veranlagt, und besonders der Ausbau von Verteidigungsstellungen fand bei ihnen keine Gegenliebe.
Die in Bitolja diensttuenden deutschen Herren richteten sich ein Kasino ein. Hinckeldey und ich aßen mittags beim bulgarischen Armeekommando und abends im deutschen Kasino, wo eine Reihe hochgebildeter Reserveoffiziere beisammen war, mit denen mich bald reger dienstlicher und geselliger Verkehr verband. Ich wurde von ihnen oft zu Schulungen und Offiziersausbildungstagen eingeladen und nahm immer lernbegierig Anteil. Über ihre Bitte hielt ich auch viel Vorträge über österreichisch-ungarische Verhältnisse und die Kämpfe an der italienischen Front. Zum prächtigen Pionierobersten Schickert und dem Fliegerkommandanten Hptm.Leon konnte ich ein besonders herzliches Verhältnis aufbauen. Hier flog ich auch zum ersten Mal.
Bei den Bulgaren war ich bestrebt, das Verständnis für die Notwendigkeit des Ausbaues von Verteidigungsstellungen im Armeekommando wie bei Truppenbesuchen zu fördern und dieserart dem deutschen Pionierobersten zu helfen, was ja auch in unserem öst-ung. Interesse lag. Aber es war schwierig bei ihnen eine aktive Mitarbeit zu erreichen. Die Eroberung ganz Makedoniens hatte ihr Selbstbewußtsein sehr gehoben, und ihr Bemühen lag jetzt mehr auf politischem Gebiet, die Bevölkerung ganz für ihre großbulgarische Idee zu gewinnen. Gen.Bojadijeff lud mich häufig ein, ihn bei seinen Besuchen makedonischer Familien zu begleiten. Seitdem ich ihm die Insignien des kaiserlich-österreichischen Kronenordens I.Klasse, die ihm Kaiser Franz Joseph verliehen hatte, überreichen durfte, stand ich bei ihm in Gnade; der naive Sinn dieser Menschen hatte viel für äußeren Schein übrig: Bojadijeff trug gern alle Teile des Kronenordens gleichzeitig. Seine Besuche führten uns durch den ganzen Armeebereich, nach Prilep, Ohrida, Resna, Struga und viele kleine Orte. Wir bewegten uns teils im Auto, teils zu Pferd. Beim Reiten hatten die Bulgaren ganz die pferdeschinderischen Gewohnheiten der Türken; während wir auf harten Straßen grundsätzlich trabten und die Pferde nur auf weichem Boden galoppieren ließen, machten es die Bulgaren umgekehrt: auf der zwar hindernisfreien, jedoch harten Straße ritten sie schärfsten Galopp, um im Gelände den unangenehm empfundenen Gräben und Hecken im Trab und Schritt möglichst auszuweichen.
Im März wies mir das öst-ung.AOK einen eigenen Kraftwagen zu, in dem die bulgarischen Herren oft mitfuhren.
Alle Bulgaren waren andauernd bestrebt, von ihren industriell hoch entwickelten Bundesgenossen möglichst viel Gerät geschenkt zu bekommen. Von den Deutschen bekamen sie jene komplette Entlausungsanstalt. Ich konnte dem Sanitätschef eine komplette Operationssaal-Einrichtung mit allen Instrumenten überreichen. Das nahmen sie alles ohne besonderen Dank selbstverständlich entgegen und forderten mehr, ohne zu bedenken, daß die Mittelmächte im dritten Kriegsjahr schon selbst viel Mangel litten. Besonders Kraftwagen verlangten sie für ihren Nachschub; dieser spielte sich bei ihnen ausschließlich mit einfachen Fuhrwerken ab, die von schwarzen Büffeln gezogen wurden; für die zu bewältigenden Entfernungen waren das natürlich nur ungenügende, langsame Verkehrsmittel. Mit der Beistellung von Lastautos waren sogar die Deutschen zurückhaltend wegen der Benzin- und Reifenknappheit.
Operativ-taktische Erwägungen für eintretende Möglichkeiten in der Verteidigung oder im Angriff lehnten die Bulgaren grundsätzlich als "graue Theorie" ab. Sie waren der Meinung, daß doch alles anders kommen werde und man dann aus dem Handgelenk schon das Richtige treffen werde. Spielereien wie das Tauschen von Kappen bei Photoaufnahmen, Jagen und Fischen lagen ihnen näher als ernste Generalstabsarbeit.
Und das Fischen geschah primitiv: Der Ohrid-See barg herrlich schmeckende Lachsforellen von der Größe unserer Hechte oder Schille. Diese Forellen sollen in Friedenszeiten über Saloniki bis Paris als besondere Leckerbissen exportiert worden sein. Um den eigenen Tisch mit diesen Fischen reichlich decken zu können, richteten sie in Struga, am nördlichen Abfluß des Sees, eine einfache Fischfalle ein, indem sie in einer Hütte zwei den schwachen schmalen Abfluß schließende Schieber aus Holz einbauten. Diese Schieber lagen etwa 10 m von einander. Dort saßen sie gern und schlossen zuerst den vom See entfernteren Schieber, so daß sich die wanderlustigen Forellen an den Schieber stießen; waren genug Forellen in den Kanal eingeschwommen, so schlossen sie auch den seewärtigen Schieber und konnten mühelos mit einem Netz 10-12 Fische herausziehen. Dieses Spiel konnten sie stundenlang treiben. Dann aßen sie die Fische selbst, oder verkauften sie teuer an hungrige Bewohner.
Einmal hatte mich Mjr.Litscheff in meinem Quartier besucht und sich besonders für meine Reinigungsutensilien interessiert. Am Mittagstisch erzählte er dann, daß es bei mir aussehe wie bei einer Kokotte: ich hätte eine zusammenklappbare Gummiwanne und eine Zahnbürste! Das rief allgemeine Heiterkeit hervor. Es schien den Braven nicht glaubhaft, als ich ihnen erklärte, daß wir uns schon in der Militärschule die Zähne täglich morgens und abends bürsten mußten. Allerdings hatte Litscheff ein beneidenswert schönes und festes Gebiß, wie ein Raubtier. Dann: als ich einmal den Namen eines Generalstabsoffiziers der bulgarischen 3.Division nannte, war ihnen dieser unbekannt. Wie der früher geheißen habe? Früher? Da entsann sich Obst.Azmanow und nannte einen mir unbekannten Namen, worauf ein allgemeines "Ach so, der ist das" geäußert wurde. Auf mein Befremden sagte mir Azmanow beiläufig, daß in Bulgarien die Familiennamen öfter gewechselt würden. Da fiel mir des Obersten Laxa in Sofia gemachte Bemerkung ein "daß jeder Bulgare ein schlechtes Gewissen habe." Anscheinend geschah der Namenswechsel als Folge irgendeiner begangenen Unkorrektheit, womit diese als von einem anderen begangen erscheinen sollte.
Eine andere erwähnenswerte Eigentümlichkeit der Bulgaren lernte ich am 27.Februar, dem Geburtstag ihres Königs kennen. Der sollte, wie das überall üblich war, mit einem Gottesdienst und einer anschließenden Parade begangen werden. Als Beginnzeitpunkt wurde 8h verlautbart. Wir Österreicher waren durch die minutiöse Pünktlichkeit Seiner Majestät des Kaisers gewohnt, alle Zeitangaben genau einzuhalten. So hatte ich mich für halb 8 fertiggemacht, um zeitgerecht auf dem Paradeplatz zu sein. Da begegnete mir Mjr.Litscheff von der Operationsabteilung mit der erstaunten Frage, warum ich schon so früh auf sei. Als ich gleichfalls erstaunt erwiderte, die Parade sei doch für 8h angesagt, machte er eine Bewegung mit dem Arm: da sei noch lange Zeit. Trotzdem begab ich mich auf den Paradeplatz, wo Truppen und Geistlichkeit bereitstanden; nur der Armeekommandant fehlte. Er erschien erst nach 9h, und offenbar wunderte sich außer den Deutschen und mir niemand darüber. Was ich für einen groben Unhöflichkeitsakt Gen.Bojadijeffs hielt, wurde mir später folgendermaßen erklärt: dieses alle Versammelten stundenlang Wartenlassen sei vom König als ein der orientalischen Mentalität gemäßes Mittel zur Hebung des Ansehens des jeweilig Höchsten eingeführt worden; der König selbst lasse seine Bulgaren meist bis zu drei Stunden warten, der Kronprinz bis zu zwei.
Ob das wirklich gut und richtig war? Tatsächlich zeigte die Coburgische Dynastie für ihr Volk eine eigentümliche Geringschätzung. Als der zu mir und den deutschen Offizieren von ausgesuchter Zuvorkommenheit erfüllte Kronprinz Boris nach Bitolja zu Besuch kam, wurde ich bei Tisch neben ihn gesetzt. Als er mich zum Fleisch die obligate saure Milch nehmen sah, fragte er mich halblaut in deutscher Sprache: "Was, Sie können das Zeug essen? Das schmeckt doch wie Speibe!" Als ich ihn aufmerksam machte, daß der nahe sitzende Artilleriechef gut deutsch verstünde, zuckte der Kronprinz gleichgültig die Achseln, als ob er sagen wollte, daß es ihm einerlei sei, was seine Bulgaren von ihm dächten. Dabei war der Kronprinz hochgebildet und wie sein Vater fast ein Gelehrter, besonders auf dem Gebiet der Botanik. Bei den stundenlangen gemeinsamen Ritten, die er zu den Fronttruppen unternahm, um sie zu sehen und zum Stellungsbau anzufeuern, war ich fast immer an seiner Seite und staunte über sein reiches Wissen und seine natürliche kameradschaftliche Art, mit der er sich Hinckeldey und mir gegenüber gab, die aber den Bulgaren gegenüber sofort in eine mir hochmütig erscheinende Herablassung umschlug. Ich vermied es, den Kronprinzen mein Erstaunen darüber merken zu lassen, und war auch den bulgarischen Offizieren gegenüber sehr zurückhaltend, wenn die Sprache auf ihren König oder Kronprinzen kam.
Eine aufrichtige Freude erlebte ich, als Ende April GFM v.Mackensen die bulgarische Armee inspizieren kam: er zeichnete mich durch längere Befragungen und Erkundigungen aus. Bei der gemeinsamen Tafel der bulgarischen und deutschen Offiziere trank er mir "als dem Vertreter unseres treuen österreichischen Bundesgenossen" gesondert zu. Ich gewann damals den Eindruck, daß er den seinzeit in Niš geschehenen Fauxpas gutmachen wollte.
Anfang Mai erhielt ich neuerlich die "Belobende Anerkennung" Seiner Majestät des Kaisers für die "vorzügliche Dienstleistung vor dem Feinde". Der Kaiser hatte sie am 2.April 1916 ausgesprochen - das war die silberne Verdienstmedaille. Zum viertenmal seit 1912 hatte der Kaiser mich ausgezeichnet, zuletzt wohl für meine Dienstleistung im Stab Mackensen. Anreger wird Obst.v.Lustig-Prean gewesen sein, dem ich brieflich dankte.
Mitte oder Ende Mai suchte mich ein von seiner nächst Saloniki in Retablierung befindlichen Armee desertierter serbischer Offizier auf und bat um Internierung in Österreich. Ich befragte ihn eingehend über die Verhältnisse beim Feind, was ungefähr folgendes Bild ergab: Sarrails Armee sei wegen des U-Boot-Krieges auch nicht so versorgt, wie die Serben es gehofft hatten. Zu einer großen Offensive solle die Sarrail-Armee erst im Spätsommer gerüstet sein, für welchen Zeitpunkt auch der Kriegseintritt Rumäniens gegen Österreich-Ungarn erwartet wird. Die serbische Armee, in einer Gesamtstärke von etwa 100.000 Mann, werde am linken Flügel Sarrails über Florina-Biltolja-Prilep angesetzt werden. Das Ergebnis meiner Einvernahme reichte ich sofort an alle interessierten Stellen weiter. Den serbischen Offizier, der mir noch Einzelheiten über die geteilte Stimmung des serbischen Heeres erzählte, sandte ich mit bulgarischer Zustimmung an das Heeresgruppenkommando Mackensen mit der Bitte um seine Weitersendung an das Evidenzbüro in Wien. Das geschah auch.
Wien
1916
Kurz darauf bekam ich ein Telegramm meines Bruders Heinrich: unser guter Vater sei am 9.Juni gestorben und seine Beerdigung werde am 12.Juni erfolgen. Es gab nicht viel zu überlegen; die Fahrt nach Wien dauerte zwei Tage. Ich bat telegraphisch beim AOK in Teschen um Urlaub, durchging die Entlausungsanstalt und fuhr mit dem Auto nach Gradsko, von wo kurz vor Mitternacht ein Reisezug nach Belgrad abging.
Am 11.Juni abends war ich in Wien. Um Heinrich gleich aufzusuchen war es zu spät; so stieg ich im Hotel Elisabeth in der Weihburggasse ab. Am nächsten Morgen war mein erster Weg zu meinem Schneider Szonda in der Wollzeile, bei dem eine meiner Friedensuniformen in ständiger Aufbewahrung war. Als ich diese Uniform anzog, erschrak ich: ich war stark abgemagert, ganz dunkel, fast wie ein Ägypter gebräunt und trug deutlich die Spuren aller in Albanien und Makedonien stehenden Männer. Ein Sprung ins Ministerium am Stubenring, um mir einen Generalstabshut mit lichtgrünem Federbusch und eine gelbe Feldbinde beim Evidenzbüro auszuborgen; dann sogleich weiter in die Hießgasse in Erdberg zu Heinrich. Mein Vater war schon im verschlossenen Sarg aufgebahrt. Die Hitze hatte das erfordert. Die Einsegnung erfolgte kurz nach Mittag bei St.Rochus und dann ging's in langer Fahrt auf den Zentralfriedhof.
Bei seiner Grablegung erstand das Leben des guten Vaters vor meinen Augen. Es war ein gesegnetes gewesen: 86 Jahre ohne größere Beschwerden, beide Söhne in angesehenen Stellungen, die Kriegslast der letzten Jahre dank der Fürsorge meines Bruders kaum verspürt. Der Vater wurde neben seiner ihm vor dreizehn Jahren vorangegangenen Frau gebettet, begleitet von militärischen Ehren. Wie viel junges Leben hatte hingegen der grausame Krieg schon verschlungen! In stiller Trauer, doch dankerfüllten Herzens für alle empfangenen Wohltaten wandten mein Bruder und ich uns zur Heimkehr.
Die drei Meyer-Cousinen Lotte, Else und Ada waren anwesend. Lotte lebte mit ihrem im Kriegsministerium angestellten Mann in Wien. Else war von Leutschau, Ada von Budapest gekommen. Da Heinrichs Wohnung von der Aufbahrung her etwas durcheinander war, schlug Lotte vor, in ihrer Wohnung zusammenzukommen. Ich sagte für den nächsten Tag abends zu unter der Bedingung, daß ich den abendlichen Imbiß und die Getränke für alle besorgen werde. Nachdem ich noch kurz in Heinrichs Wohnung gewesen war, wollte ich den Abend allein für mich verbringen.
Im Hotel bekam man noch ganz gut zu Essen, aber nur gegen horrende Kosten, denn alles wurde im blühenden Schleichhandel beschafft. Mit Mühe hatte mir Szonda eine seit Monaten bestellte feldgraue Reithose und eine ebensolche Bluse machen können; die Stoffe waren gehamsterte Ware, und ich hatte viel dafür zu zahlen, aber mein Feldkleid war schon ganz verschlissen. Nach dem Nachtmahl wanderte ich durch die abendliche Stadt: nur jede dritte oder vierte Laterne brannte wegen Gassparmaßnahmen, schlecht gekleidete Menschen in Zivil und Uniform, allgemein gedrückte Stimmung, nichts, was meine Trauer hätte lindern können. Ich hatte keine Bekannten mehr in Wien; meine sechsjährige Abwesenheit hatte alle Bande gelöst. Sollte ich die seinerzeit angeschwärmten Mädeln besuchen? Fast alle wußte ich verheiratet. Sollte ich mir gar den Jammer über gefallene Gatten und Brüder und alle hoffnungslose Kriegsnot anhören? Ohnehin ging in Wien bereits das böse Wort um, die Truppe bekommt die Orden "für tapferes Verhalten vor dem Feinde", der Generalstab "für tapferes Fernhalten vom Feinde". Ich beschloß schleunigst wieder auf meinen Dienstposten zurückzukehren, und ging ins Hotel schlafen.
Am folgenden Tag bestellte ich im Delikatessengeschäft Tomassoni, das in der Wollzeile neben der Berndorfer-Metallwaren-Niederlassung war, den Abendimbiß für rund 10 Personen. Auch da konnte man zu normalen Preisen fast nichts, zu Schleichpreisen aber noch recht viel bekommen. Und weil die Rechnung ein paar hundert Kronen ausmachte, wurde sogar alles mit Eis in Lottes Wohnung geliefert, die am Ende der Landstraßer Hauptstraße, in einem der dort neu gebauten Häuser lag.
Dann begab ich mich ins Kriegsministerium, in dessen wienflußseitigem Teil die verödeten Generalstabsbüros lagen. In jedem Büro amtierte nur ein Generalstabsoffizier mit einem rekonvaleszenten Truppenoffizier. Operations- und Etappenbüro waren ganz geschlossen; alle Herren im Feld. So suchte ich im Evidenzbüro meinen Kriegsschulkameraden Zobernig auf und stellte zunächst fest, daß der von mir gesendete serbische Offizier noch weitere brauchbare Angaben gemacht hatte. Wir besprachen die mehr als unerfreuliche Kriegslage: bei Verdun bluteten die Franzosen wohl sehr, aber die Deutschen noch mehr, uzw. ohne Erfolge; Conrads Versuch die Italiener von Südtirol aus niederzuschlagen war nach schönen Anfangserfolgen steckengeblieben, weil Dankl und Krauß es anders gemacht hatten, als Conrad wollte; deshalb waren große Personalveränderungen zu erwarten; die Italiener hatten bei Görz Erfolge errungen, ebenso die Russen unter Brussilow in Wolhynien; unsere nichtdeutschen Truppen begännen unverläßlich zu werden; die Rumänen erwartet man täglich als neuen Feind. Die Aussicht auf einen Friedensschluß war gleich Null. Kaiser Wilhelm befände sich willenlos in den Händen Falkenhayns, dessen Position jedoch stark erschüttert sei. Das Vertrauen zu Conrad sei ebenfalls stark erschüttert; er habe die Reininghaus geheiratet, was man ihm übel nähme. Die Gesamtlage erscheine düster und aussichtslos. An Hindenburg und Ludendorff klammere sich die letzte Hoffnung.
Ich kam auf meine mich nicht befriedigende Einteilung bei den Bulgaren zu sprechen und sagte, daß ich neuerlich um Truppendienstleistung bitten wolle. Davon riet mir Zobernig entschieden ab. Der Chef sei verärgert über das vielfache Drängen der Generalstabsoffiziere zur Truppe und erblicke darin ein egoistisches Denken an die eigene Nachkriegs-Karriere. Seine wiederholt geäußerte Meinung sei, daß jeder Generalstabsoffizier dort die Verantwortung zu tragen habe, wohin er gestellt würde. Die täppischen Anfeindungen des Generalstabes habe man zu tragen.
Es war Mittag geworden, und ich holte Heinrich zum Mittagessen in meinem Hotel ab. Mein lieber Bruder war militärisch sehr interessiert und bedauerte ständig wegen seines lahmen rechten Beins nicht Kriegsdienste leisten zu können. Auch von ihm erhielt ich ein düsteres Bild der Zustände in der Monarchie: während die Tschechen und Ungarn noch gut versorgt seien, brächte der egoistische Länderpartikularismus in Österreich selbst eine Lebensmittelnot, und der Mangel an Kohle und damit die Angst vor dem nächsten Winter seien so bedrückend, daß allgemein das Ende des Krieges herbeigesehnt werde, gleichgültig mit welchen territorialen Verlusten der Monarchie. Ich selbst konnte nichts zur Aufbesserung der Stimmung beitragen. Insbesondere gab es keinen Lebertran, nichteinmal im Schleichhandel. Sein Kind litt stark an der englischen Krankheit, und man konnte nicht helfen! Annis Füße seien vom Arzt gebrochen und geradegeschient worden; bei seiner Frau Vilma sei Psoriasis ausgebrochen, die ihre Leistungsfähigkeit im Haushalt stark herabsetze; also neben den großen politischen und dienstlichen Sorgen auch noch Krankheit in der Familie. Die Geldanweisungen von mir reichten gerade zur Not, um das tägliche Brot beschaffen zu können. Ich versprach noch sparsamer zu sein und meinen monatlichen Beitrag zu erhöhen.
Am Nachmittag stellte ich mich im Evidenzbüro bei Mjr.Nowak, unserem neuen Militärattaché für Sofia, vor und orientierte ihn über die Verhältnisse auf dem Balkan. Ich konnte ihn darüber beruhigen, daß die Bulgaren zur Zeit noch mehr an eine Offensive gegen Saloniki dächten als an ein Verlassen des Bündnisses.
Der Abend im Haus der Cousine Lotte brachte den Austausch der Familiennachrichten. Die Eltern der drei Kousinen waren verstorben, Else administrierte das Haus in Leutschau. Else und Ada dachten viel an eine Wiederverehelichung, aber Männer waren Mangelware geworden. Lottes Mann war zufrieden mit seiner Verwendung im Kriegsministerium; es waren zwei nette Kinder da, ein Bub und ein Mädchen. Ada hatte ihren kleinen Sohn Lorand bei Freunden in Budapest gelassen und dachte daran, ihn in einer Militärerziehungsanstalt unterzubringen; ihr Mann war vor zwei Jahren gestorben. Heinrichs Frau war still und bescheiden. Die Kinder spielten zufrieden; für jedes hatte ich ein Spielzeug besorgt. Alle Fragen, wie ich die Kriegslage beurteile, beantwortete ich positiv - es hätte keinen Sinn gehabt, sich pessimistisch zu äußern, und Panikeure gab es mehr als genug.
Am folgenden Tage machte ich noch einen Dankbesuch bei Heinrichs. Die Armen hatten es mit der Fürsorge um den alten Vater in seinen letzten Wochen nicht leicht gehabt. Er war dem Totenschein nach an einer Lungenentzündung gestorben; aber schon Wochen vorher hatte der Marasmus eingesetzt, indem ein Organ nach dem anderen zu versagen begann. Er war die letzten Wochen schon bettlägerig geworden. Die Sterbesakramente empfing er nicht mehr bei voller Geisteskraft. Heinrich und Vilma hatten viel durchgemacht, und man sah ihnen dies auch an. Uneingestanden war der Tod des Vaters eine große Erleichterung ihrer künftigen Lebensführung. Viel zu erben gab es nicht. Ich überließ alles mit Vollmacht meinem Bruder. Zuletzt fuhr ich noch einmal auf den Friedhof ans frische Grab.
Am Abend reiste ich zurück nach Bitolja. Unterwegs machte ich in Skoplje Station, um mich über die nächsten Pläne und Aufgaben der Heeresgruppe zu orientieren. Dort erfuhr ich, daß in Bulgarien eine dritte bulgarische Armee mit 2 Divisionen gegen Rumänien bereitgestellt werde. GM.v.Seeckt empfing mich sehr zuvorkommend und forderte mich auf, weiterhin auf die Bulgaren für einen guten Ausbau der Stellungen im Cerna-Bogen und eine intensive Schulung der Truppen für die Abwehr zu wirken; er wisse, wie sehr ich das bisher schon getan hatte; beim Abschied drückte er mir sehr herzlich die Hand mit der Meinung, daß wir uns auf diesem Kriegsschauplatz kaum mehr begegnen dürften. Tatsächlich wurde er kurz darauf nach Galizien als Generalstabschef für unseren Thronfolger Erzh.Karl berufen.
Vom öst-ung.Etappenkommando war nur mehr ein der Truppe entstammender Mjr.Räcke mit dem Intendanten Scheyer bei Mackensen für die Versorgung der wenigen öst-ung. Batterien und Trains geblieben. - Scheyer besuchte mich 1961 in Wien als brasilianischer Kaufmann und Millionär. - Mackensen zog mich der bedeutend kleiner gewordenen Tafelrunde bei. Nachher bestellte ich telephonisch mein Auto für den folgenden Tag nach Gradsko.
Train-Rittmeister Meisinger übergab mir einen ziemlich hohen Geldbetrag für den Verkauf meines Pferdes Ada an einen Dragoner-Reserveoffizier. Ich selbst übernahm dafür einen ungerittenen Fuchsen aus dem Pferdedepot gegen 650 Kronen Zahlung. Den verbleibenden ansehnlichen Betrag überwies ich je zur Hälfte an Heinrich und auf mein Konto bei der bosnischen Landesbank. In Bitolja, wohin ich am nächsten Tag weiterreiste, hatte ich genügend Zeit den neuen Fuchsen zuzureiten.
In Skoplje hatte ich beim Heeresgruppenkommando erfahren, daß die bulgarische Heeresleitung bemüht sei, den von den Serben begonnenen Eisenbahnbau von Skoplje westwärts nach Kalkandelen und weiter nach Gostivar fortzuführen. Dieser Umstand erweckte mein großes Interesse, weil sich nach Fertigstellung des Bahnbaus, fortsetzend über Kicevo-Struga und den Ohrida-See eine Versorgungslinie für die öst-ung. 20.Gebirgsbrigade nächst Pogradec am Südende des Ohrida-Sees öffnen könnte. Die Festhaltung des Raumes um Pogradec und die Beherrschung des ganzen Sees war als Flankensicherung für die 1.bulgar.Armee ebenso wichtig wie für unser XIX.Korps in Albanien. Dieses letztere vermochte aber über Albanien die 20.Gebirgsbrigade bei Pogradec nicht zu versorgen. Mein ganzes Denken und Handeln konzentrierte sich nun auf die Schaffung einer Nachschublinie für die 20.Gebirgsbrigade mit Basierung auf Skoplje.
Beim bulgarischen AK wußte man natürlich noch nichts vom Bahnbau ihrer Heeresleitung und ich mußte erst in langen Unterredungen mit Obst.Azmanow und seinem Stab diese Herren auf die Bedeutung der neuen in meinem Kopf entstandenen Nachschublinie auch für ihre Armee hinweisen.
Ich selbst fuhr in nächster Zeit wiederholt die Strecke Struga-Kicevo-Gostivar-Kalkandelen ab, um sie zu studieren. Die Verbindung war zum Teil eine gut praktikable Straße, zwischen Kicevo und Struga jedoch nicht fertig gebaut. Aber der nach Überwindung der Paßhöhe südlich Kicevo führende Weg war gut befahrbar. Ich errechnete, daß bei Einsatz von 15 pferdebespannten Etappen-Trainzügen zwischen Gostivar und Struga, nach Abzug der Verpflegs- und Futterportionen für die Etappentrains, eine Tagesration für die 20.Gebirgsbrigade herangeschafft werden könnte. Es wären allerdings rund 10 Arbeiterabteilungen für die Verbesserung und Erhaltung der Straße nötig. Zur Sicherung dieser so entstehenden Nachschublinie genügte eine berittene Eskadron.
Bei Ohrida fand ich einen schwerfälligen Kahn, auf dem die Bewohner Bausteine und Fische unendlich langsam mit menschlicher Ruderkraft fortbewegten. Wenn genügend solcher schwerer Kähne, von denen jeder schätzungsweise 2 Tonnen Ladefähigkeit hatte, vorhanden wären, so ließe sich der Bedarf der 20.Gebirgsbrigade von Struga über den 40 km langen See nach Pogradec schaffen. Ich wußte, daß knapp vor Kriegsausbruch Außenbordmotoren am Attersee und Wörthersee gefahren wurden. Diese müßten sich auch auf den schwerfälligen makedonischen Booten montieren lassen, was den Transport beschleunigen könnte.
Es gelang mir, den bulgarischen Armeestab zu überzeugen, daß diese Boote sowohl am Ohrida- wie am Prespa-See einer feindlichen Angriffsbewegung sehr dienlich sein könnten, daher rechtzeitig auf die Nordufer beider Seen gebracht werden müßten. Diesmal arbeiteten die Bulgaren prompt; dabei wurde auch die Zahl der Boote festgestellt, die für den von mir gedachten Zweck voll ausreichend war.
Bei meinen Erkundungsfahrten nach Gostivar und Kalkandelen konnte ich zu meiner großen Befriedigung feststellen, daß die Bulgaren mit dem Bau der Schmalspurbahn gute Fortschritte machten. Ich erörterte mit dem den Bau leitenden bulgarischen General die Nutzbarmachung seines Bauwerkes für die Nachschubzwecke der 20.Gebirgsbrigade. Das hiefür notwendige Transportquantum konnte er leicht an uns abtreten, erbat jedoch als Gegenleistung österreichisches Schienenmaterial zur späteren Fortführung des Bahnbaues nach Kicevo und Struga. Er schätzte die Fertigstellung seines Baues bis Gostivar auf Jahresende. Bis ich so nach und nach alle Unterlagen beisammen hatte, war es Sommermitte geworden.
Mein Gesundheitszustand hatte sich mit der Sommerhitze bedenklich gestaltet, denn ich bekam wie tausend andere Menschen einen schmerzhaften Darmkatarrh, der häufige Entleerungen erforderte. Ich suchte zunächst unseren Dermatologen Prof.Arzt auf, der feststellte, daß ich gottlob nicht Malaria hatte, mir aber die Schmerzen mit seinen Mitteln nur wenig lindern konnte. So fuhr ich nach Skoplje zum deutschen Professor Fülleborn, der mir nach genauester Untersuchung ein ziemlich großes Fläschchen Uzora mit der Mahnung gab, ich möge damit außerordentlich sparsam umgehen, weil es keinen Nachschub gebe. Das tat ich auch und fand mit diesem wohltuenden Medikament bis in den Spätherbst das Auslangen. Trotzdem waren die Autofahrten, namentlich auf der zu einem Kraterfeld gewordenen Straße zwischen Gradsko und Bitolja, schmerzvolle Kraftleistungen. Aus dieser Zeit stammt mein Widerwille gegen Autos. Nach jeder solchen den ganzen Körper schwer durchschüttelnden Fahrt fühlte ich mich elend und bedurfte meiner ganzen Energie, um mich dienstfähig zu erhalten.
Anfang August war das Heeresgruppenkommando Mackensen nach Ostbulgarien abgegangen, wo es in der Folge die uns den Krieg erklärenden Rumänen zuerst in der Dobrudscha und dann in der Walachei vernichtend schlug.
Den Befehl an der Balkansüdfront hatte dafür die bulgarische Heeresleitung mit dem intelligenten Chef des bulgarischen Generalstabes Jekoff übernommen. Diese beschloß dem erwarteten Angriff der Sarrail-Armee durch eine eigene Offensive zuvorzukommen. Der 1.bulgar.Armee wurde der Angriffsweg über Florina-Ekšisu, Südrand des Ostrovo-Sees nach Saloniki gewiesen. Der Angriff begann am 17.August und gelangte rasch bis an den Ostrovo-See, kam aber dort in schwerem feindlichen Artilleriefeuer zum Stehen.
Am 18.August war Kaiser Franz Josephs Geburtstag, zu dem ich im Auftrag von Gen.Bojadijeff ein Huldigungstelegramm an die Militärkanzlei in Wien richtete, das prompt mit allen guten Wünschen für den Angriff der Bulgaren beantwortet wurde.
Gen.Bojadijeff war ein tapferer Mann, der seine Armee aus dem Auto heraus und hoch zu Roß selbst führte. Als Mitglied seines Stabes erlaubte ich mir, ihn auf die Notwendigkeit einer starken Reserve an seinem Südflügel hinzuweisen, weil wir dort mit einem Gegenangriff der serbischen Armee rechnen mußten, so wie es mir der desertierte serbische Offizier im Mai anvertraut hatte. Bojadijeff behielt auch eine Brigade der 3.Division anfangs zurück und gab der 3.Kavalleriebrigade den Befehl zur Aufklärung und Sicherung seiner Südflanke.
Kronprinz Boris kam die Armee besuchen. Der durch das Stocken des Angriffes nervlich irritierte Obst.Azmanow bat mich, den Kronprinzen in Bitolja zu erwarten. Der Kronprinz traf am späten Nachmittag ein. Nach der Begrüßung gab ich ihm ein Bild der Lage. Da er einen eleganten hellen Wagen fuhr, lud ich ihn ein, in meinem feldgrau gestrichenen Platz zu nehmen; dann fuhren wir die so oft befahrene Straße über Florina südwärts nach Ekšisu, wo der Kronprinz die 3.Kavalleriebrigade besuchen wollte. Es begann zu dämmern; im Zwielicht erkannte ich plötzlich serbische Soldaten vor uns. Ich rief meinem Fahrer, einem tüchtigen, älteren sudetendeutschen Mechaniker, zu: "Von der Straße weg und wenden!" Es gelang rechtzeitig. Die serbische Patrouille, die anscheinend zwischen den bulgarischen Sicherungen durchgeschlüpft war, scheint auch verblüfft gewesen zu sein, denn sie schoß nichteinmal. Aufatmend brachte ich den Kronprinzen nach Vrbeni zum Armeekommando und riet ihm, den Besuch bei der Kavalleriebrigade auf den folgenden Morgen zu verschieben.
Die Stimmung im Armeekommando war gedrückt. Die sieggewohnte 1.bulgar.Armee kam trotz Einsatzes der in Reserve gehaltenen Brigade nicht vorwärts, und von der Kavalleriebrigade kam die Nachricht, daß stärkere feindliche Kräfte ihre Sicherungen zurückzudrücken begännen. Wie der Kronprinz erzählte, war es auch bei der deutschen 11.Armee und bei der bulgarischen 2.Armee zu keinen durchschlagenden Erfolgen gekommen. Die Entente-Armee war den Bulgaren an Zahl der Divisionen, aber ganz besonders an Artillerie überlegen. Die bulgarischen Verluste begannen groß zu werden.
Vom Standpunkt der Armeekommandos konnten wir am folgenden Tag das französische, auf reiche Munitionsvorräte gegründete Schießverfahren wiederholt beobachten: Flieger entdeckten die gut postierten bulgar.Batterien. Mit je vier Schüssen kurz, vier Schüssen weit schossen sich die Franzosen auf die Batterie ein und dann folgte die "raffale", das heißt, die Batterie wurde mit 400 bis 500 Geschossen zugedeckt und fast vernichtet. Die einzige deutsche Feldfliegerabteilung 69 war im Einsatz bravourös; sie schoß täglich 2-3 Franzosen ab, aber zahlenmäßig war sie hoffnungslos unterlegen.
Der Kronprinz nahm mich beiseite und fragte mich nach meiner Beurteilung der Lage. Zunächst stellte ich die Gegenfrage, ob und welche Verstärkungen in Aussicht stünden; als der Kronprinz mit dem Hinweis auf den Kriegseintritt der Rumänen antwortete: "Gar keine!", führte ich kurz und bestimmt aus, daß ich es für richtig hielte, die Armee in die ausgebauten Stellungen nördlich von Florina und im Cerna-Bogen zurückzunehmen, statt sie in ihrer jetzigen Lage völlig zerschlagen zu lassen. Ich hatte vorher bei der 20.Gebirgsbrigade angefragt, aber als Antwort erhalten, daß das Maximum ihrer Leistung ein Festhalten von Pogradec wäre. Der Kronprinz nickte mir zu und sagte, er sei derselben Meinung und hätte das schon gestern dem General Jakoff gesagt. Kurz darauf kam auch von der bulgarischen Heeresleitung ein solcher Befehl. Interessant war mir die Wirkung des Wortes "Rückzug" auf die bulgarischen Offiziere zu sehen. Diese bärenstarken, immer lustig und froh gestimmten Männer verloren die Nerven. Dabei gab es keine Ursache den Kopf hängen zu lassen. Man hätte in der ursprünglichen Angriffsposition manches überlegter und besser machen können; aber die zahlenmäßige und materielle Überlegenheit der Entente wäre immer bestehen geblieben.
Bei Tageslicht besuchten wir die beiden Divisionskommandanten, wobei es erfreulich war Gen.Mitoff, den Kommandanten der 8.Division, ungebeugt, frisch und zuversichtlich zu finden; er fand den Rückzug in die ausgebaute Stellung richtig und führte die Bewegungen in der folgenden Nacht auch geschickt durch. Die 3.Kavalleriebrigade hatte nur geringe Verluste gehabt. Ihr wurde, nach dem Rückschwenken der Infanteriedivisionen, der Abmarsch in die Landenge zwischen dem Ohrida- und Prespa-See befohlen. Die Loslösung vom Feind erfolgte leicht. Gefangen eingebrachte Serben klagten über den geringen Kampfeifer der Entente-Soldaten, welche die schweren Kampfaufgaben gern den Serben überließen.
Später begleitete ich den Kronprinzen zurück nach Bitolja, von wo er in seinem Wagen nach Skoplje zum bulgarischen OK fuhr.
Da es mir jetzt, da man mit Angriffen der Entente-Armee rechnen mußte, besonders wichtig schien, zur Deckung des Flügels der bulgarischen Armee die öst-ung.20.Gebirgsbrigade am Südufer des Ohrida-Sees nächst Pogradec möglichst stark zu machen, meldete ich ans AOK in Teschen die Ergebnisse meiner Erkundungen für die Möglichkeit der Schaffung einer von Albanien unabhängigen, auf Skoplje basierenden Nachschublinie für die 20.Gebirgsbrigade, wie sie sich nach Beendigung des bulgarischen Bahnbaues über Kalkandelen nach Gostivar ergeben könnte.
Die Nachschublage in Albanien muß verzweiflungsvoll gewesen sein, denn es kam auf meinen Antrag postwendend der Auftrag, die neue Nachschublinie sogleich einzurichten. Es wurden auch sofort zehn Etappentrainzüge, einige Arbeiterabteilungen und für den Ohrida-See ein Marinedetachement mit 20 Außenbootmotoren zugewiesen. Gleichzeitig bekam ich den Befehl, bei dem in Skoplje amtierenden deutschen Oberquartiermeister bis zur Fertigstellung des bulgarischen Bahnbaues deutsche Lastautos zur Bewältigung des Transportquantums bis Gostivar zu erbitten.
Während die 1.bulgar.Armee sich in den vor zehn Tagen verlassenen ausgebauten Stellungen wieder einrichtete, mußte ich für ein paar Tage nach Skoplje, um mit Mjr.Raecke von der öst-ung. Neben-Etappenstelle alles für die neue Nachschublinie Notwendige durchzusprechen. Sowohl Raecke, als auch sein Intendant Scheyer waren sehr tüchtig und energisch, so daß ich mich auf die prompte Durchführung meiner Anordnungen verlassen konnte. Auch der deutsche Oberquartiermeister Obstlt.Dove war sehr entgegenkommend und stellte gern 10 deutsche Lastautos zur Verfügung. Ich muß hier Dove betreffend gleich beifügen, daß er bis zum beendeten bulgarischen Bahnbau seinem Wort trotz allergrößter Schwierigkeiten treu blieb. Denn mit Einsetzen der Herbstregen im Oktober begann die Straße bald so schlecht zu werden, daß die aus Gummimangel nur auf Eisenreifen fahrenden Lastautos große Einbußen durch Achsbrüche und andere Schäden erlitten. Die deutschen Kraftfahroffiziere bestürmten Dove, diese Transporte einzustellen. Er blieb jedoch bei seinem gegebenen Versprechen. Dafür half ich dem bulgarischen Eisenbahnbau mit Einsatz öst-ung. Arbeiterabteilungen und Schienenanforderungen in Teschen. So gelang es, die Bahn bis Gostivar schon Mitte November fertig zu bringen. Dadurch vermochte sich die 20.Gebirgsbrigade in Pogradec so zu verstärken, daß eine serbische Umgehung des bulgarischen Westflügels zuverlässig verhindert werden konnte. Das war operativ von großer Bedeutung, denn ab Mitte September begann die Sarrail-Armee ihren Entlastungsangriff zugunsten der von Mackensen, Falkenhayn und Arz dichtbedrängten Rumänen. Das Schwergewicht dieses Angriffes traf die 1.bulgar.Armee unter Gen.Bojadijeff, gegen welche die retablierte und durch Entente-Artillerie unterstützte serbische Armee in der Richtung auf Bitolja vorzudringen bemüht war.
Gegen Ende September begann sich zu zeigen, daß die durch die mächtige französische Artillerie in ihren Gräben gefaßten Bulgaren nicht genug Widerstandskraft aufbrachten. Serbische Einbrüche da und dort brachten wohl noch nicht die ganze Front zum Einsturz, aber man mußte Vorbereitungen für die Zurücknahme der Armee in die zweite noch südlich Bitolja gelegene Stellung treffen. Dem Ruf nach Unterstützung und Sendung viel schwerer Artillerie konnten die Obersten Heeresleitungen nur zum geringsten Teil entsprechen, weil an allen Fronten schwer gegen die allseitigen Angriffe der Entente gekämpft wurde.
GFM Hindenburg war mit Gdl.Ludendorff an die Spitze des deutschen Heeres und zur Obersten Kriegsleitung berufen worden und ersetzte das bulgarische Kommando in Makedonien durch ein neues deutsches Heeresgruppenkommando. Von bulgarischer Seite wurden Gen.Bojadijeff und Obst.Azmanow durch neue Männer abgelöst. Das bisher in der Mitte der Front gewesene deutsche 11.AK übernahm den Befehl über den rechten Flügel.
Das öst-ung.AOK hob meinen Posten bei der 1.bulgar.Armee auf und bestellte mich zum Verbindungsoffizier beim OK v.Below. Dieses kam am 10.Oktober von Ostpreußen nach Skoplje. Mjr.Raecke machte für mich im öst-ung.Konsulat Quartier.
Als ich mich beim neuen Oberbefehlshaber GdI.Otto v.Below und dessen Generalstabschef Glt.v.Böckmann vorstellte, wurde ich von beiden Herren sehr freundlich aufgenommen. Obstlt.Dove, der nun Oberquartiermeister bei diesem hohen Kommando wurde, muß über mich und meine Mithilfe für die deutschen Herren bei der 1.bulgar.Armee berichtet haben, denn ich bekam von Haus aus im OK eine Position, die weit über die Stellung eines Verbindungsoffiziers hinausreichte. Glt.v.Böckmann meinte, ich sei ja der einzige, der die Bulgaren und die Verhältnisse an der bedrohten Front der bulgarischen Armee gründlich kenne; er bäte mich deshalb, bei seinem täglichen Vortrag beim Oberbefehlshaber gegenwärtig zu sein. Das war für mich eine unerwartete, höchstes Vertrauen bekundende Auszeichnung, die ich mit der Versicherung annahm, daß ich mein ganzes Wissen rückhaltslos für die gemeinsame Sache einsetzen werde.
Die folgenden fünfeinhalb Monate waren für mich so befriedigend, daß ich den Stab, der mich allseitig nicht nur in guter Kameradschaft, sondern immer mit besonderer Wertung behandelte, etwas eingehender schildern möchte.
GdI.v.Below wurde, wie ich aus seinem Stab hörte, von Hindenburg als der beste deutsche General bezeichnet. Er war von kurzer, sehr bestimmter Ausdrucksweise und rasch entschieden in seinen Entschlüssen. Allem äußeren Schein abhold, hatte er sich auch nie photographieren lassen. Seine Erscheinung war mittelgroß mit kahlem Kopf. Er war sehr belesen und griff nach jedem neu erschienenen Buch. Er speiste für sich, getrennt von der großen Tafel des Kommandos, mit Glt.v.Böckmann und seinen persönlichen Adjutanten und Ordonnanzoffizieren, die alle dem Reserveverhältnis entstammten und betagte Herren vornehmsten Wesens waren, ohne große Namen zu führen.
In diesen kleinen Kreis wurde ich wiederholt zum Abendtisch geladen. Gespeist wurde sehr einfach, an einem runden Tisch; in der Mitte des Tisches war eine hölzerne drehbare Pyramide mit Backwerk und getrockneten Früchten aufgebaut. Man blieb auch nach dem Essen am runden Tisch bei einem Glas Wein sitzen und naschte von der drehbaren Pyramide. Das Gespräch war stets ungezwungen; zumeist wurde über ein Buch gesprochen, das Below gerade las. Mit der Zeit begann er sich immer mehr für meine persönlichen Verhältnisse zu interessieren; ich mußte von meinem Elternhaus, Bildungsgang, Dienstverwendungen erzählen, wobei er sich die öst-ung.Verhältnisse genau und wiederholt erklären ließ. Sein Ton wurde mit der Zeit immer herzlicher und wärmer. Er erkundigte sich jedesmal, wie ich mich im Kommando fühle, an wen ich mich näher anschließe und riet mir sogar den GenStabsHptm.Br.Guttenberg zum Freund zu wählen, weil das "der richtige Edelmann" sei. Umgekehrt wuchs auch meine Hochachtung vor dem General immer mehr zu einer Verehrung, die ich echt und tief im Herzen empfand.
Glt.v.Böckmann war ruhig, klug, und passte sich ganz der starken Persönlichkeit Belows an. Von großer Bescheidenheit lehnte er jede persönliche Hervorhebung - wie sie zB. Seeckt geliebt hatte - ab und war stets korrekt höflich. Mich behandelte er besonders zuvorkommend.
In diesen Rahmen schlichter Vornehmheit fügten sich der Ia, Mjr.Becker, der "Afrikaner" genannt, weil er lang bei der deutschen Schutztruppe in Ostafrika gedient hatte, und die Generalstabshauptleute Baron Guttenberg und Bötticher. Der letztere war ein Rheinländer, sehr lebhaft und amüsant als Gesellschafter. Beide verfügten sie über großes Wissen und generalstabsfachliche Tüchtigkeit. In der Operationsabteilung spielte der Feldjäger, di. Feldpolizei-Hptm.Kähne, ein humorvoller Urberliner, eine Rolle für den Feindnachrichtendienst. Er hatte mich so ins Herz geschlossen, daß er mir zum Abschied seine kleine rote Werkzeugtasche schenkte, die ich bis heute bewahre. Obstlt.Dove paßte ganz in diesen geschlossenen Rahmen. Die Stellung der Generalstabsoffiziere fand auch in diesem nicht gerade kleinen Stab ihre Geltung, vermied aber jedes Auftrumpfen, wie es im Stab Mackensen unter Gen.v.Seeckt üblich gewesen war.
Zum "Vortrag" fuhr der Oberbefehlshaber täglich Punkt 17h mit Auto bei der Operationsabteilung vor, was eine wohlklingende Fanfarenhupe ankündigte. Ich hatte mich stets eine halbe Stunde früher in der Operationsabteilung eingefunden und alles, was ich im Lauf des Tages vom XIX.Korps in Albanien und ab und zu auch von unserem AOK aus Teschen erfahren hatte, Böckmann in Gegenwart aller Generalstabsoffiziere vorgetragen. GdI.v.Below erschien mit umgürtetem Säbel stets in Begleitung seines persönlichen Adjutanten, des betagten Obstlt.v.Hatten, einem ostpreußischen Grundbesitzer. Eine stramm korrekte Verbeugung von uns allen begrüßte den Oberbefehlshaber, und Böckmann begann sofort mit dem operativen Vortrag anhand der Lagekarte, deren Führung Hptm.Guttenberg oblag, den ich gern auf einzelne Ergänzungen aufmerksam machte, wie wir Österreicher sie übten. Es folgten der Vortrag des Artilleriechefs, des Oberquartiermeisters und des Stabsoffiziers der Luftstreitkräfte. Zuletzt meldete ich die Lage unseres XIX.Korps in Albanien und besonders der 20.Gebirgsbrigade bei Pogradec, die als Flankenschutz für die 11.Armee von hoher Bedeutung war.
Dann traf v.Below kurz und klar seine Entscheidungen. Wenn im Augenblick keine sichere Entscheidung getroffen werden konnte, sagte Below entweder, er werde sich das im Gelände ansehen, wozu er mich meist einlud, oder er gab allen Generalstabsoffizieren die Beurteilung der zu erwartenden Lage unabhängig voneinander in Form einer Taktikaufgabe auf, die ihm in sein Logis abzugeben war. Jede dieser Arbeiten sah er genau durch, beurteilte sie und befahl die ihm genehme Lösung, meist unverändert, zur Durchführung. Regelmäßig hieß es in solchen Fällen: "Ich darf auch Sie, Herr von Jansa, um ihre Mitarbeit bitten!"
Nachher begaben wir uns in das einfach und gut geführte Offizierskasino, wo sich die Herren zwanglos wechselnd zu kleinen Gruppen zusammen. Der steife Komment, wie er im Kasino Mackensens üblich war, fand hier ein viel lockereres, menschlich ansprechenderes Gegenstück. Die Kasinositzungen dauerten nicht lange, weil wir nachher unsere Taktikaufgaben für den Oberbefehlshaber ausarbeiten mußten. Oft hatte ich noch wegen der Nachschublinie für die 20.Gebirgsbrigade mit der Etappen-Nebenstelle zu verhandeln. Außerdem wurde der ganze örtliche Sicherungsdienst durch ein ungarisches Etappenbataillon versehen, dessen Offiziere mich hin und wieder auf ungarische Spezialitäten einluden.
Mit dem kühleren Herbstwetter, das allmählich in den Winter überging, hatte sich mein Gesundheitszustand wesentlich gebessert, und zwar so, daß ich mich ganz geheilt glaubte. Das war aber noch lange nicht der Fall, wie der nächste Sommer und in den folgenden Jahren die heiße Zeit es immer wieder bewiesen.
Wegen der sichtlichen Notwendigkeit enger Zusammenarbeit zwischen der Heeresgruppe Below und unserem XIX.Korps in Albanien beantragte ich bei beiden Stellen den Bau einer direkten Telephonverbindung zwischen Skoplje und Skutari. Der Antrag fand beiderseitige Billigung mit folgender Durchführung, die sich bei den späteren schweren Kämpfen als äußerst nutzbringend erwies.
Im Spätherbst hatte die Entente-Armee die 11.deutsch-bulgarische Armee so schwer bedrängt, daß diese ihre südlich Bitolja gelegenen Stellungen nicht mehr zu halten vermochte. Below befahl die Rücknahme in die Linie Nordende des Prespa-Sees, den Höhenrand knapp nördlich Bitolja bis auf den rund 2500 m hohen Kajmakcalan, bei welchem die 1.bulgar.Armee nach Zurücknahme ihres rechten Flügels den Anschluß herstellte.
Unabhängig von der deutschen Beurteilung erschien mir die Enge zwischen dem Ohrida- und den Prespa-See immer bedeutsamer. Dort stand nur die 3.bulgar.Kavalleriebrigade, was mir zu wenig schien. Deshalb fuhr ich ohne vorher etwas über meine Absicht verlauten zu lassen nach Pogradec zur 20.Gebirgsbrigade und erörterte mit Obstbgdr.Hoffmann und dessen Generalstabshauptmann Glasner die Möglichkeit der Abgabe von ein bis zwei österreichischen Bataillonen mit einer Gebirgshaubitzenbatterie in die Enge zwischen den beiden großen Seen. Hoffmann war erfreut, mich kennenzulernen, weil ich durch die Schaffung der Nachschublinie über Kicevo-Ohrida-See viel zur Existenzmöglichkeit seiner Truppe beigetragen hatte; ihm erschien auch aus diesem Grund die Behauptung der Seen-Enge von großer Bedeutung und er sagte zu, unsere Erörterung seinem Korpskommando positiv zu melden.
Am 21.November kam die ja schon lange erwartete, doch bei ihrem Eintritt mich erschütternde Nachricht vom Tod Seiner Majestät des Kaisers und Königs Franz Joseph. Ich veranlaßte für die öst-ung. Offiziere und Truppen ein Requiem in der kleinen katholischen Kirche, bei dem ich die Monarchie repräsentierte. Auf meine Einladung hin nahmen GdI.v.Below und ein großer Teil seines Stabes an dem Gottesdienst teil. Below sprach mir nachher in kurzen Worten sein Beileid dahingehend aus, daß nicht nur wir Österreicher unseren Kaiser, sondern auch Deutschland seinen ritterlichen Freund und unwandelbar treuen Bundesgenossen verloren habe. Sein Gebet habe sich dahin gerichtet, daß Kaiser Karl Deutschland ebenso zuverlässig gewogen sein möge.
Um die Weihnachtszeit trat an der Kampffront verhältnismäßig Ruhe ein. Es waren die dritten Kriegsweihnachten, ohne daß ein Ende des Krieges abzusehen gewesen wäre. Den Treueeid auf den neuen Monarchen sendete ich dem AOK schriftlich. Die Weihnachtsfeier im Stab war schlicht; von GdI.v.Below erhielt ich einen kleinen silbernen Liqueurbecher und in der Kasino-Tombola gewann ich einen Hirschfänger.
Es muß etwa Mitte Januar gewesen sein, als GdI.v.Below seinen Generalstabsoffizieren und mir eine neue operative Aufgabe stellte: er wollte untersucht haben, wo der zu erwartende Frühjahrsangriff der Streitkräfte Sarrails mit Schwergewicht geführt werden dürfte. Meine Aufgabenlösung sprach sich entschieden für die Richtung über Bitolja-Prilep, begleitet von einem Durchstoßversuch der Enge zwischen Ohrida- und Prespa-See mit Zielrichtung über Kicevo-Gostivar nach Skoplje aus. Wie mir Glt.v.Böckmann ein paar Tage später mitteilte, hatte Below meine Ausarbeitung als beste mit vorzüglich klassifiziert und das sächsische Jägerbaon Nr.11 als erste Verstärkung der 3.bulgar.Kavalleriebrigade mit etwas Artillerie in die Seen-Enge befohlen, wo dann der deutsche Obst.v.Thierry die Befehlführung übernahm.
Wie ich nachträglich vom Ia, Mjr.Becker, erfuhr, war der Anlaß zu der Aufgabenstellung Belows an seine Generalstabsoffiziere eine Anfrage Hindenburgs gewesen. Diese wiederum soll auf der Sorge der öst-ung.AOK gegründet gewesen sein, daß sich Sarrails Frühjahrsangriff gegen Albanien richten könnte. Meine Ausarbeitung sei die Basis der Antwort Belows an Hindenburg gewesen, wobei er besonders um die Zuweisung von Truppen für die Enge zwischen Ohrida- und Prespa-See gebeten habe. Auf meine Aufgabenlösung könne ich stolz sein, weil der Chef sie sich zu eigen gemacht habe.
Dann fragte Below an, ob das XIX.öst-ung.Korps nicht im Interesse der gemeinsamen Sicherheit auch etwas für die Seen-Enge tun könne. Ich orientierte ihn jetzt über meine in diesem Sinne schon vor Monatsfrist mit Hoffmann in Pogradec gepflogene Aussprache und sagte meine direkte telephonische Rücksprache mit dem XIX.Korpskommando in Skutari zu, wenn ich die Anforderung Belows erhielte. Dieserart kam dann tatsächlich ein Bataillon des k.u.k.Landsturm-Inf.Rgt.Nr.23 mit einer Batterie von Pogradec in die Enge zwischen den beiden Seen, zu denen sich dann noch das türkische Inf.Rgt.Nr.146 gesellte, so daß in den schweren Frühjahrskämpfen dort bulgarische, deutsche, österreichische und türkische Truppen alle französischen Durchbruchsangriffe abgewiesen haben.
In die folgende schwere Kampfzeit fiel eine dumme Geschichte, die mich neuerlich um die Auszeichnung mit dem Kronenorden, dafür aber endlich zur Truppendienstleistung brachte. Das trug sich so zu:
Der Telegraph in Skoplje wurde von den Deutschen bedient. Da brachte mir eines Tages der deutsche Bote ein Telegramm mit der gutmütigen Bemerkung: "Na Herr Hauptmann, heute werden Sie mal angepfiffen!" Als der Mann abgetreten war, öffnete ich das Telegramm, das etwa besagte: deutsche Pioniere hätten in Belgrad ein Magazin erbrochen; ich werde aufgefordert, beim OK v.Below österreichische Interessen und nicht deutsche zu vertreten! - Ich bekam einen Wutanfall: das Telegramm kam vom k.u.k.Militär-Gouvernement in Belgrad, mit dem ich bisher nie etwas zu schaffen gehabt hatte. Kurz nachher wurde ich zu Glt.v.Böckmann gerufen, der mich in Gegenwart vom Oberquartiermeister, Obstlt.Dove bat, eine unangenehme, ihm sehr peinliche Sache auszugleichen: deutsche Pioniere, die zu Spezialarbeiten an die Front kamen, hätten in Belgrad, wo es keine deutsche Etappe gebe, einen verschlossenen leeren Schuppen aufgebrochen, um ihre Geräte vor Nässe zu schützen. Er bäte mich, die von dem deutschen Offizier bereits in Belgrad erfolgte Entschuldigung auch seitens des OK v.Below mit der Bereitwilligkeit, den entstandenen Schaden gutzumachen, zu unterstreichen. Ich sagte das natürlich prompt zu, gab ein entsprechendes Telegramm nach Belgrad auf, in dem ich um Mitteilung des entstandenen Schadens bat. Die Antwort lautete, daß kein Schaden entstanden sei! Also wegen einer solchen Nichtigkeit hatte man den österreichischen Verbindungsoffizier einfach angepöbelt!
Ich setzte mich nieder und erhob bei unserem AOK die nach dem Dienstreglement zulässige Beschwerde gegen das Militärgeneralgouvernement in Belgrad wegen unbegründeter Bloßstellung des öst-ung.Verbindungsoffiziers vor den Unteroffizieren und Soldaten des deutschen Telegraphen in Skoplje.
Darauf kam Anfang März 1917 vom AOK, dessen Leiter Kaiser und König Karl mit GdI.v.Arz als Chef des Generalstabes übernommen hatte, meine Versetzung als 1.Generalstabsoffizier zur 18.Gebirgsbrigade an die russische Front.
Ein paar Tage nachdem ich dem OK v.Below diese Versetzung gemeldet hatte, zeichnete mich GdI.von Below gelegentlich des täglichen Vortrages durch eine sehr lobende Ansprache mit der Überreichung des Eisernen Kreuzes I.Klasse aus. Dies konnte er damals nicht mehr aus eigener Machtvollkommenheit tun, sondern mußte vorher beim preußischen König darum einkommen. Mjr.Becker sagte mir, ich möge dieses Eiserne Kreuz nicht als eine konventionelle Sache, sondern als eine echte, wohlverdiente Auszeichnung betrachten, über die er und alle deutschen Kameraden sich von Herzen freuten; was Below in seinem Antrag an König Wilhelm geschrieben habe, sei das Höchste und Schönste, was man über einen Generalstabsoffizier überhaupt sagen könne.
In meinem Versetzungsbefehl hieß es, ich hätte das Eintreffen meines Nachfolgers, des um viele Dienstjahre älteren Mjr.Stipetic abzuwarten. So hatte ich bequem Zeit mich überall zu verabschieden. Hoffmann sandte mir aus Pogradec ein ehrendes Abschiedstelegramm, auch vom Landsturmbataillon aus der Seen-Enge bekam ich ein Abschiedsschreiben.
Ganz unerwartet erfolgte gegen Ende März die Abberufung von GdI. v.Below als Befehlshaber einer Armee an die französische Front. Schlicht wie immer, verbat sich der General eine feierliche Verabschiedung und jede Ansprache. Am Abend durften sich Glt.v.Böckmann und die Generalstabsoffiziere, mit denen Böckmann auch mich mitnahm, im Salonwagen des abfahrtbereiten Zuges von Below verabschieden. Als im schmalen Durchgang die Reihe an mich kam, streckte mir GdI.v.Below seine Hand lachend entgegen und sagte: "Auf Wiedersehen in Italien, Herr von Jansa!" Ich war darüber so perplex, daß ich nur etwas stammelte, wie das möglich sein könnte, da er nach Frankreich und ich nach Russland führen. Schon drängte Baron Guttenberg nach, und wir wurden getrennt.
Zwei oder drei Tage später traf Mjr.Stipetic ein. Ich stellte ihn Böckmann vor, der ihm sagte, er werde sich leicht zurechtfinden, da er die Nachfolge in einem Stab antrete, "der die ausgezeichnete Arbeitsleistung und Kameradschaftlichkeit des österreichischen Generalstabes kennen und schätzen gelernt habe."
Nach vier Tagen erstatteten wir dem AOK am Hughes-Telegraphen die Meldung, daß Stipetic alles übernommen habe. Mjr.Broz, der die Meldung in Baden entgegennahm und den ich aus Potioreks Zeiten gut kannte, antwortete mir etwa: "Lieber Jansa, ich habe dir namens des AOK für deine Arbeit zu danken; du warst dafür schon für den Kronenorden eingegeben, aber der Chef hat - trotz Anerkennung der Berechtigung deiner Beschwerde - die vorläufige Zurückstellung deines Belohnungsantrages befohlen. Glück auf bei der 18.Gebirgsbrigade!"
Beim Mittagessen im Kasino wurde mir allseits zur Verabschiedung zugetrunken. Abends beim Zug waren alle öst-ung. Herren und von den Deutschen Mjr.Becker, und die Hauptleute Guttenberg und Bötticher erschienen.
Damit glaubte ich den mir am innigsten in Erinnerung gebliebenen Kriegsdienst beendet. Das Eiserne Kreuz I.Kl. war zur einzigen von mir geschätzten Kriegsauszeichnung geworden.
 
Am 4.Mai 2011 präsentierte der Böhlau Verlag in Wien
das umfangreiche, bebilderte, kommentierte und
mit einer Einführung versehene Buch:

P.BROUCEK (Herausgeber)
Ein österreichischer General gegen Hitler
Feldmarschalleutnant Alfred Jansa
Erinnerungen
Auslage in Wien I im Mai 2011 © 2011 by DMGG